Die Siege gegen die Slowakei und die Türkei machten es für Teamchef Ralf Rangnick nicht leichter, die richtigen 20 Feldspieler für das Aufgebot bei der Europameisterschaft zu finden. Das sagte er nicht einmal eine Stunde nach dem Schlusspfiff der Torgala gegen die Türken, die bis zu knapp 1,2 Millionen Zuschauer vor die TV-Schirme lockte, dem ORF einen Marktanteil von 42 Prozent bescherte. Rangnick gab zu, es werde schon schwer werden, zu entscheiden, wie viele Spieler er ins letzte Trainingslager vor den Spielen gegen Serbien und in der Schweiz nach Windischgarsten mitnimmt. Weil er am 7. Juni nicht zu vielen sagen will, dass sie beim Treffpunkt am 12. Juni in Berlin nicht dabei sein werden, die Spiele gegen Frankreich, Polen und Holland nur als Urlauber sehen werden. Entweder irgendwo vor dem TV-Schirm oder als Daumendrücker auf der Tribüne in Düsseldorf oder dem Berliner Olympiastadion. Rangnick drückte es nett aus: „Jemanden zu sagen, ich habe keine Rose für Dich, ist nicht unbedingt vergnügungssteuerpflichtig!“ Rangnick sieht sich offenbar in der Rolle des Bachelors aus der TV-Datingshow, der an jeden, der weiter kommt, eine Rose verteilt.
Es waren auch die Joker, die sich mehr als zuvor aufdrängten. Andreas Weimann bei seinem Comeback mit dem Tor in Bratislava. Patrick Wimmer sorgte gegen die Slowakei für Schwung und bereitete gegen die Türkei das Tor von Max Entrup vor. Beim zweiten Kurzeinsatz nach dem gegen Deutschland einen Treffer zu erzielen, spricht für die Qualitäten des ersten Hartberg-Spielers, der für Österreich scorte. Sturm Graz- Mittelfeldspieler Alexander Prass bewies Dienstag 25 Minuten lang, auch ein solider Linksverteidiger zu sein. Nimmt man zur Startbesetzung gegen die Türkei, noch Marcel Sabitzer, Philipp Lienhart, der in beiden Partien zum Pausieren gezwungen war, weil sich Flüssigkeit im linken Knie bildete, und die vier überzeugenden Joker dazu, ist man bereits bei 16 Feldspielern. Bleiben nur noch vier Plätze frei. Zwei wären wohl an David Alaba und Marko Arnautovic vergeben, wenn es ihre Fitness erlaubt.
Möglichst viele Spiele werden von ihm und seinen Scouts bis Ende Mai beobachtet, kündigte Rangnick an. Er wird sich kommenden Donnerstag das Cupsemifinale zwischen Red Bull Salzburg und Sturm Graz ansehen, hat auch im April zwei Spiele in Wien eingeplant. Die Möglichkeit, dass kein Spieler der Wiener Klubs, also von Rapid und der Austria, die mit Andreas Gruber im letzten Kader nur einen auf d er Abrufliste hatte. Von Rapid feierte Leopold Querfeld in Bratislava sein Debüt (Bild), das 45 Minuten dauerte, bei dem er Zweikampfstärke bewies. Er ist von den grün-weißen Kandidaten am nähesten dran, aber selbst für ihn könnte kein Platz frei sein, wenn Alaba das „Wunder“ schafft. Eng wird es sicher auch für Matthias Seidl, der weder gegen die Slowakei, noch gegen die Türkei zum Einsatz kam. Passierte außer ihm nur der Nummer drei in der Tormannhierarchie, Tobias Lawal. Christoph Lang sollte Dienstag die U 21 gegen Zypern verstärken, was ihm gar nicht gelang. Guido Burgstaller und Marco Grüll? Sie müssten im Saisonfinish Glanztaten abliefern, damit Rangnick „vergisst“, dass sie am Eklat nach dem Derby beteiligt waren. Das gilt auch für Niklas Hedl. Ihm kann nur eine Torsperre dazu verhelfen, als dritter Keeper im EM-Kader zu stehen.
Österreich spielt in der schwersten der sechs EM-Gruppen, in die ein Play-off-Sieger kam. Die Ukraine trifft auf Belgien, der Slowakei und Rumänien, Georgien mit seinem französischen Teamchef, dem Ex-Bayern-Verteidiger Willy Sagnol, gegen Portugal, Tschechien und die Türkei. Am Tag nach dem 6:1-Triumph platzierte tipp3 bereits die Quote für die Wette, ob Österreich den Aufstieg ins Achtelfinale schafft. Derzeit trauen dies 68 Prozent dem Team zu. Um 17 mehr als vor dem Kantersieg.
Foto: ÖFB/Christopher Kelemen.