Anfang Juni, also praktisch in neun Wochen, kann sich Österreichs Team in Klagenfurt und Wien mit Deutschland und Brasilien messen. Dienstag Abend treffen in Berlin der Weltmeister und sein Herausforderer bei der Titelverteidigung in Russland aufeinander. Deutschland kann dabei den 38 Jahre alten Rekord von 23 Spielen ohne Niederlage aus der Ära von Jupp Derwall einstellen, Brasilien will sein Trauma von 2014 verarbeiten. Vom 1:7-Debakel im Semifinale gegen Deutschland in Belo Horizonte. Ein trauriger Fakt, an den sich der Rekord-Weltmeister noch immer nicht gewöhnt hat. Damit will der neue Teamchef Tite, seit 2016 im Amt, aufräumen. Ein Sieg in Berlin als Rache für das 1:7 1358 Tage danach. Damit nicht mehr so viel über diese Demütigung geredet wird. Was beide Spiele verbindet: Superstar Neymar fehlt in Berlin genauso verletzt wie am 8. Juli 2014 in Belo Horizonte.
Damals beschäftigte sein Ausfall, sein Wirbelbruch, erlitten im Viertelfinale gegen Kolumbien, eine ganze Nation. Alle schienen noch in Schockstarre zu sein. Auch die Selecao. Auch ich konnte damals als Augenzeuge nicht fassen, was sich vor meinen Augen auf dem Rasen des Mineirao abspielte. Deutschland zerlegte in seinen schwarzen Dressen zwischen der 11. und 29. Minute Brasilien in all seine Bestandteile, sorgte in diesen 18 Minuten für eine 5:0-Führung.
Von der damaligen Startformation, die Felipe Scolari aufbot, gehört nur Linksverteidiger Marcelo (Bild oben) von Real Madrid zur Startelf von Tite, der als Perfektionist gilt, 2012 mit Corinthians Sao Paulo die Klub-WM gegen Chelsea gewonnen hatte. Dazu noch zwei, die eingewechselt worden, als schon alles verloren war: Mittelfeldspieler Paulinho, inzwischen beim FC Barcelona, und Chelsea-Flügelflitzer Willian. Allein im vergangenen Jahr beobachteten Tite und seine Assistenten 138 Spiele, um die erfolgversprechendste Mannschaft zusammenzustellen. Es scheint gelungen. Mit Romas Torhüter Alisson, den Innenverteidigern Miranda (Inter Mailand), Marquinhos (Paris St. Germain), Real Madrids Casemiro im Mittelfeld, vorne mit Gabriel Jesus von Manchester City und Coutinho, im Jänner vom FC Liverpool zu Barcelona gewechselt. Das zeigte sich auch letzten Freitag beim souveränen 3:0 über Russland in Moskau, zuvor in der souveränen WM-Qualifikation mit zwölf Siegen, fünf Unentschieden und nur einer Niederlage. Brasilien hat selbst ohne Neymar Kreativität und Flexibilität, auch wieder Ansehen und Selbstvertrauen.
„Sie sind um zwei Klassen besser als in Belo Horizonte“ warnte Weltmeister Toni Kroos, der damals das 3:0 und 4:0 erzielte. Mit Sami Khedira wäre noch ein zweiter Torschütze von Belo Horizonte im Kader, aber der ist verletzt. Thomas Müller und Mesut Özil entließ Teamchef Jogi Löw nach dem 1:1 gegen Spanien am Freitag in Düsseldorf aus dem Kader. Ihm scheint dieses Match wichtiger gewesen zu sein als das gegen Brasilien. Denn er kündigte einige Umstellungen an. Wie Franco Foda für Österreichs Spiel in Luxemburg. Wie es aussieht bietet Löw mit Mats Hummels, Kroos und Julian Draxler nur drei auf, die auch vor vier Jahren gespielt hatten. Und es scheint ihm ziemlich egal zu sein, dass in Deutschland einige warnend den Finger heben, weil von den letzten drei Spielen gegen England, Frankreich und Spanien keines gewonnen wurde, es drei Unentschieden gab. Löw sieht alles sehr entspannt: „Eine Revanche kann es gar nicht geben. Weil sich das WM-Semifinale nicht mehr zurückholen lässt!“
Fast mehr als das Prestigeduell gegen Brasilien beschäftigte die deutschen Medien am Montag die Trainersituation bei Meister Bayern: Die Suche nach dem Nachfolger für Jupp Heynckes scheint wieder neu beginnen zu müssen, da mit Thomas Tuchel der Favorit letzte Woche absagte. Tuchel, der seit dem Aus bei Borussia Dortmund im letzten Sommer pausiert, soll sich für ein Auslandsengagement entschieden haben. Einige glauben bei Arsenal, andere bei Paris St. Germain. Bayern-Kandidaten? Ein Österreicher zählt weiterhin zum engeren Kreis: Leipzig-Trainer Ralph Hasenhüttl, obwohl er sich noch nicht reif genug für den Bayern-Job fühlt.