Sonntag begann die Fußballwelt der Wiener Austria etwas aus den Fugen zu geraten, zwei Tage später gibt es eine ganz heikle Situation in Violett. Sonntag begann der Klub, der Ausbildung und Förderung der eigenen Talente als alternativlos bezeichnet, beim 0:3 gegen Sturm Graz mit der ältesten Startelf seit 13 Jahren. Im Schnitt 27 Jahre und 338 Tage alt. Ähnliches passierte am 13. Februar 2010 beim 4:3 gegen Kapfenberg in der Trainerära von Karl Daxbacher. Mit Oldies wie den polnischen Innenverteidiger Jacek Bak (36) und den slowenischen Regisseur Milenko Acimovic (33). Der jüngste war damals Alexander Dragovic mit 18 Jahren.
Auf den Dämpfer gegen Sturm folgte Montag der Tiefschlag durch Haris Tabakovic. Der Goalgetter zog am letzten möglichen Tag die Option in seinem Vertrag für einen Ausstieg. Dienstag um elf Uhr gestand dies die Austria ein. Als Ablöse gibt es vom deutschen Bundesligaabsteiger Hertha BSC Berlin nur 500.000 Euro. Der aber trotz seiner großen Finanzprobleme Tabakovic offenbar einen so lukrativen Dreijahresvertrag anbot, dass ihm schnell klar war, in die deutsche Hauptstadt wechseln zu wollen. Das erklärt Tabakovic zumindest auf der Hertha-Homepage. Obwohl der Traditionsklubs derzeit für Sünden der Vergangenheit zahlt, mit Key Bernstein einen Präsidenten hat, der aus der Ultra-Szene kommt und behauptet, Hertha sei ein Beispiel dafür, wie man es nicht machen sollte. Das Trainingslager in Zell/See war vom Eklat um Tormann Marius Gersbeck überschattet, gegen den die Polizei nach einer Auseinandersetzung mit einem Einheimischen um drei Uhr früh wegen schwerer Körperverletzung ermittelt. Gersbeck ist wie der Präsident bei den Ultras sozialisiert.
Tabakovic ist offenbar egal, ob die sportliche Wettbewerbsfähigkeit bei Hertha im Kampf um den Aufstieg gegeben ist. Wahrscheinlich soll er dafür sorgen. Seine Sache. Ohne ihn steht die Austria im schweren August vorerst ohne Torjäger da. Vorerst Donnerstag, wenn es bei Borac Banja Luka um den Aufstieg in die dritte Qualifikationsrunde für die Conference League geht und sicher auch Sonntag bei Austria Lustenau. Im Reichshofstadion konnte die Austria letzte Saison nicht gewinnen. Die nächsten Gegner in der Bundesliga sind auswärts Meister Red Bull Salzburg, dann folgt das emotionelle Heimspiel gegen Wolfsberg und Ex-Trainer Manfred Schmid, ehe es nach Linz zum LASK geht. Sportvorstand Jürgen Werner nannte das Programm einen wilden Start, zu dem noch vier weitere internationale Spiele gehören sollen, um in die Gruppenphase der Conference League zu kommen. Das alles könnte mit einem kapitalen Fehlstart enden.
Vorerst muss Trainer Michael Wimmer für Banja Luka und Lustenau mit dem vorhandenen Personal auskommen. Wer könnte auf der Position von Tabakovic spielen? Sicher Muharem Huskovic (Bild). Er hat vor seiner schweren Verletzung schon gezeigt, dass er es kann. Aber nach monatelanger Pause kam der 20 jährige in den ersten drei Pflichtspielen der Saison nur 37 Minuten zum Einsatz. Ist er schon bereit für die Startelf? Huskovic wird es sicher bejahen. Die Alternativen wären Andreas Gruber oder Manuel Polster.
Werner muss rasch einen routinierten Tabakovic-Nachfolger besorgen. Aus Norwegen wurde bereits letzte Woche das Austria-Interesse an Ole Saeter, dem 27 jährigen und 1,93 Meter großen Mittelstürmer von Rosenbirg Trondheim gemeldet. Werner gab zu, dass er sich mit Saeter beschäftigte. Dessen Vertrag beim Neunten der Eliteserien noch ein Jahr läuft. Daher würde Saeter, dessen Marktwert laut Internetportal transfermarkt eine Million Euro beträgt, mehr kosten als der Wechsel von Tabakovic brachte. Bitter angesichts der finanziellen Sorgen in Violett. Saeter war im Frühjahr mit einer Oberschenkelverletzung monatelang außer Gefecht, feierte im Juni ein Comeback. In sechs Spielen lieferte er vier Tore ab, zwei davon letzten Sonntag beim 3:2-Heimsieg gegen Odd. Mit einem Norweger machte die Austrai vor Jahrzehnten nur gute Erfahrungen: Sigurd Rushfeldt erzielte zwischen 2001 und 2006 in 218 Spielen 108 Treffer. Einen wie ihn würde die Austria jetzt dringend brauchen.
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