Am 26. März bezog die Türkei im Wiener Happel-Stadion ein 1:6-Debakel gegen Österreich. Drei Monate später jubelt die Türkei über ihren ersten EM-Sieg, dem 3:1 (2:1) gegen Außenseiter Georgien, bei dem ein gebürtiger Wiener eine wichtige Rolle spiele: Mert Müldür, bis 2019 eine Rapid-Hoffnung, brachte in seinem 25. Länderspiel mit seinem zweien Tor im Teamdress die Türkei im Dortmunder Dauerregen nach 25 Minuten in Führung. Ein Highlight in der Karriere des 25 jährigen, der seit acht Jahren von Max Hagmayr beraten wird: Er nahm einen zu kurz abgewehrten Kopfball aus 17 Metern volley, traf genau in den rechten Winkel (Bild). Wahrscheinlich das schönste Tor in der Karriere von Müldür, die ihn 2019 um 4,96 Millionen Ablöse in Italiens Serie A zu Sassuolo führte, vier Jahre später für nur noch 2,8 nach Istanbul zu Fenerbahce. Müldür war bereits bei der EM 2021, spielte in Baku bei den Niederlagen gegen Wales und die Schweiz.
Müldürs Supertor freute sich seine Freundin Koprena, eine Österreicherin mit serbischen Wurzeln. Im März war ihr noch kurz das Herz stehen geblieben, als sie via Fernsehen sah, wie Müldür in Trabzonspor nach Fenerbahces Siegestor in der 96. Minute von einem Trabzon-Fan mit der Eckfahne gejagt wurde. Eine Woche später war Müldür, der nächste Saison beim Vizemeister Fnerbahce von Trainerstar Jose Mourinho trainiert wird, auch beim 1:6 in Wien dabei. Von der damaligen Startelf begannen in Dortmund nur vier Spieler: Kapitän Hakan Cahanoglu von Italiens Meister Inter Mailand, Kaan Ahan von Meister Galatasaray im Mittelfeld, Juventus-Legionär Kenan Yildiz und Müldür. Es gab eine türkische Party. 80.000 Fans in Dortmund, im Stadion heftige Auseinandersetzungen mit Schlägereien zwischen türkischen und georgischen Fans wegen der fehlenden Fan-Trennung. Außenseiter Georgien hielt dagegen, Müldürs Tor sorgte für Ekstase pur, sieben Minuten später der Ausgleich, Georgiens erster EM-Treffer. Überraschend nicht im Einsatz: Der in Österreichs Bundesliga zum Spieler der Saison gewählte Otar Kiteishvili von Doublegewinner Sturm Graz.
Real Madrids 19 jähriger Jungstar Arda Güler brachte das Stadion nochmals zum Explodieren, als er mit links genau ins Kreuzeck traf. 2:1 nach 68 Minuten dann traf Georgien die Latte. Müldur musste nach 84 Minuten mit Krämpfen raus. In der siebenten Minute der Nachspielzeit kam Georgiens Keeper Mamardashvili bei einem Eckball in den türkischen Strafraum, die Türkei konterte, traf ins leere Tor. Wieder Riesenjubel, in Deutschland lebende Türken sorgten am Abend in vielen deutschen Städten für Hupkonzerte und Jubelmeilen, für die Fortsetzung der türkischen Party. Für Vincenzo Montella, den italienischen Teamchef der Türken, war es das erhoffte Geschenk zum 50. Geburtstag. Vorerst ist die Türkei sogar Tabellenführer, da Portugal in Leipzig nach einem 0:1-Rückstand Tschechien nur 2:1 (0:0) bezwang. Das Siegestor erzielte der in der 90. Minute eingewechselte 21 jährige Porto-Youngster Francisco Conceicao in der zweiten Minute der Nachspielzeit.
Foto: UEFA.