Fußball

Kein grober Fehler? Auch der ÖFB-Präsident liegt völlig falsch!

Mit einem 2:1 gegen Georgien begann in Tiflis für Österreich die  WM-Qualifikation. Kein Glanzstück, aber die drei Punkte, die man brauchte, um die Chancen auf die WM 2018 nicht schon zum Start zu schmälern. Zwölf Monate später reichte es  daheim nur zu einem 1:1 gegen Georgien. Der Beweis für den Mißerfolg im letzten Jahr. Nur sechs Punkte in den sieben Partien nach dem Start. Und nach dieser Enttäuschung gegen die Nummer 112 der Weltrangliste sagte ÖFB-Präsident Leo Windtner in die ORF-Kameras, es habe keine groben Fehler in der Qualifikation gegeben. Nicht böse sein, Herr Präsident, aber das ist Realitätsverweigerung.

Das erinnert stark an die Analyse der verpatzten EURO-Endrunde von Sportchef Willi Ruttensteiner und Teamchef Marcel Koller, die auch damals keinen Fehler erkannt hatten.  Das Resultat des viel zu langen Schönredens: Nur 18 Nationen schafften in der Qualifikation bisher weniger Punkte als Österreich. Das sind Luxemburg, Weißrussland, Andorra, Lettland, Norwegen, San Marino, Georgien,  Moldawien, Armenien, Kasachstan, Litauen, Malta, Mazedonien, Liechtenstein,Estland, Gibraltar, Finnland und Kosovo. Ebenfalls nur neun Punkte erkämpften Rumänien und Israel. Alle anderen schafften mehr, selbst Zypern. Das bedeutet: Österreich ist ins fußballerische Armenhaus Europas abgesunken. In einer Gruppe, die nicht megastark besetzt ist. Und dabei gab es keine Fehler? Mit einem Team, dem so viel Legionäre wie nie zuvor zur Verfügung stehen?

„Kommt in die Gänge, sonst gib´s hier leere Ränge“ stand auf einem Fantransparent. In die Gänge brachte Koller sein Team nach der  glanzvollen Qualifikation zur EURO 2016 nie mehr.  Und da sind sehr wohl grobe Fehler passiert. Etwa die interne Konkurrenz abzuschaffen statt sie zu forcieren. Dass es sehr wohl Alternativen gibt, sah man gegen Georgien an Florian Kainz, Neuling Moritz Bauer oder den eingewechselten Louis Schaub (Bild oben), dessen Jubel nach seinem ersten Tor im Teamdress an den erinnerte, als er Rapid vor zwei Jahren in Amsterdam gegen Ajax ins Play-off der Champions League-Qualifikation geschosssen hatte: Der Blick zum Himmel, hoch erhobene Hände. Gedenken an den verstorbenen Vater.

Der nächste grobe Fehler: Koller bleibt stur bei seinen Ideen, auch wenn sie sich nicht bewähren. Ignoriert fehlende Spielpraxis. Ein Beispiel bei der Aufstellung  gegen Georgien: Im Abwehrzentrum einer, der bei Augsburg in den ersten zwei Runden der Bundesliga nicht im Kader stand und einer, der aus Leverkusen nur weg wollte. Aleksandar Dragovic konnte alles mit seiner Klasse und Routine solid kaschieren, der 18jährige Kevin Danso hingegen hatte sowohl beim 0:1 in Cardiff als auch beim 0:1 gegen Georgien  schon eine Mitschuld. Ein Linksfuss im Abwehrzentrum wäre kein Fehler gewesen. Zumal Max Wöber technisch der bessere Spieler als Danso ist, beim Herausspielen mehr Qualitäten hat.

Im Mittelfeld begann einer, der bei Leverkusen nicht zum Zug kam, einer, der bei Hoffenheim genau 17 Minuten spielte und einer, der auf der falschen Position stand. Was soll daraus entstehen? Das kann nicht funktionieren. Selbst für Kapitän Julian Baumgartlinger sind durch seinen aufwendigen Stil, sein Riesenlaufpensum zwei Spiele in vier Tagen zu viel, wenn er vorher wochenlang keines in den Beinen hat. Florian Grillitsch tauchte in der zweiten Hälfte ab. David Alaba wirkt in seiner Offensivrolle überfordert wie noch nie. Für ihn war´s überhaupt ein ganz schwarzer Abend: Bänderverletzung im linken Sprunggelenk, wochenlange Pause. Dass Koller an dieser falschen Mittelfeldidee mit Alaba seit 14 Monaten festhält, kann man als Sturheit bezeichnen. Der Mut zum Risiko hat den Teamchef auch inzwischen verlassen: Er tauscht nur noch positionstreu. Stürmer gegen Stürmer. Wie gegen Georgien Marc Janko für Martin Harnik. Risiko hätte bedeutet, Harnik am Feld zu lassen, einen Mittelfeldspieler raus zu nehmen.

Marco Arnautovic  hielt nachher in de Mixed-Zond leidenschaftliche Plädoyers für eine Zukunft mit Koller.  Zu behaupten, man sei in allen acht Spielen eigentlich die bessere Mannschaft gewesen, ist auch ein starkes Stück. Zeigt die total falsche Einschätzung, die rund um das Team herrscht. Mit einer Verwertung seiner Chancen  hätte Arnautovic dem von ihm geschätzten Teamchef mehr geholfen als mit Worten. Dann hätte es gegen Wales und Georgien sechs Punkte gegeben und nicht nur einen. Ebenso der Mannschaft. Denn der hilft es nicht  weiter, wenn er mit einer Art Privatshow die Fans auf seine Seite zieht, die ihn dann mit Sprechchören feiern. Wenn man alle Arnautovic-Länderspiele  genau durchgeht, wird man nicht auf viele kommen, die er entschied.

Jetzt wird also die Teamchefdiskussion die nächsten zwei Wochen beherrschen. Mit großer medialer Aufmerksamkeit. Georgiens Teamchef Vladimir Weiss scheint Österreichs Situation genau zu kennen. Denn seine Lobeshymnen auf Österreichs Team wirkten nach dem 1:1 wie ein Bewerbungsschreiben für die Zukunft. Von der Slowakei, deren Teamchef er bei der WM 2010 in Südafrika war, nach Wien ist es viel näher als nach Tiflis. Zumal in Begleitung von Georgiens Verbands-Generalsekretär David Mujiri, dem ehemaligen Legionär von Sturm Graz, ein möglicher Weiss-Nachfolger ins Happel-Stadion kam: Rashid Rachimow, Ex-Legionär bei Austria, zuletzt Trainer in Russland bei Terek Grozny.

Zur Teamchefsuche in Österreich: Es muss auch hinterfragt werden, ob es Sinn macht, einen möglichen Koller-Nachfolger am 6. Oktober beginnen zu lassen, wenn Serbien im Happel-Stadion vor einer Heimkulisse sein erstes WM-Ticket seit acht Jahren feieren wird. Das ist kein idealer Einstieg. Ruttensteiner zum dritten Mal als Interimslösung wie nach Hans Krankl und Didi Constantini? Wäre möglich, aber irgendwie komisch. In Deutschland hat der Sportchef, sprich Horst Hrubesch, nicht mit dem Nationalteam zu tun. Aber dort käme keiner auf die Idee, den Teammanager, sprich Oliver Bierhoff, auf die Bank zu setzen, wenn man keinen Teamchef hat. Aber beim Weltmeister stellte sich so eine Frage seit Jahrzehnten nicht. In Österreich zu oft. Was auch ein Thema im Präsidium sein sollte, schon aus Kostengründen: Das große Betreuerteam wieder etwas zu reduzieren und das November-Trainingslager im Süden Europas abzusagen. Denn das war ja sicher als Vorbereitung auf das Play-off gedacht. Jetzt macht es keinen Sinn mehr.

 

 

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