Fußball

Marcel Koller und das schwere Anpassen im ORF-Studio

Eine Doppel-Conference der Ex-Teamchefs im WM-Studio des ORF gab es bisher noch nicht. Wie man vom Küniglberg hört,  ist es auch nicht geplant, Herbert Prohaska und Marcel Koller gemeinsam analysieren zu lassen. Würde auch nicht richtig passen: Bei Prohaska und Partner Roman Mählich kommt auch der Schmäh mitunter nicht zu kurz, bei Koller und seinem früheren Assistenten Thomas Janeschitz bleib es meist trocken, fast spröde und daher etwas  mühsam. Nicht  mitreißend wie in der geschafften Qualifikation für die Euro 2016, sondern eher so wie danach beim verpassten WM-Ticket für Russland. Koller lässt auch wenig Einblick in das Innenleben eines Teamchefs zu, bringt nicht rüber, welche Qualen der mitunter leidet. Typisch für die trockene Art des Schweizers, der mit seinem Weltmeistertipp Spanien noch gut um Rennen liegt, dass für ihn Sonntag Abend das bisher schönste WM-To das zum 4:0 Englands gegen Panama war, weil da die einstudierte Freistoßvariante perfekt funktionierte. Da war die Wahl von  Janeschitz, der Kracher von Claudio Coutinho zu Brasiliens 1:0 gegen die Schweiz, noch etwas prickelnder. Obwohl er eher noch der staubtrockenere von beiden ist.

Mehr Einblick in sein Denken und in seine Spielphilosophie gab Koller in der offiziellen Juni-Publikation der europäischen Fussballunion, UEFA direct, in dem Kapitel „The Technician“. Da verriet er auf den Seiten 31 bis 35 einiges. Jungen Trainer riet ausgerechnet er, der an seinem Stamm stets festhielt, zur Flexibilität: „Du musst dein Konzept anpassen anhand der Schnelligkeit, der Technik und der Spielintelligenz der Spieler, die du zur Verfügung hast“. Das Anpassen an die Möglichkeiten im ORF-Studio ist noch in der Entwicklungsphase, als TV-Experte ist der 57jährige noch etwas „jung“. Seinen Führungsstil als Trainer beschreibt er als kollegial, aber bestimmt. Weil er immer wusste, was er will. Koller sieht sich auch ein bisschen anders als andere: „Ich lade nicht die größten Kritiker zum Abendessen ein, um keine schlechten Kritiken zu bekommen. Ich versuche alle gleich zu behandeln, gebe einem auch nicht spezielle Informationen, weil er vielleicht mit mir befreundet ist. Das heißt natürlich, wenn es nicht läuft, kommt Kritik und es wird scharf geschossen. Damit muss  man umgehen können. Schlussendlich muss das aber einer für sich selber herausfinden.“

Für sehr bedeutend hält Koller die Medienverantwortlichen, von denen er ja bei seinen sechs Jahren als Teamchef einige, sowohl weibliche als auch männliche hatte: „Er muss ein breites Rückgrat haben und versuchen, alle Seiten zufriedenzustellen. Die Journalisten sind ein Teil des Geschäfts und wollen mit den Spielern sprechen, meistens mit den Topspielern. Dann ist es wichtig, dass man das als Medienverantwortlicher ein bisschen ausgleicht und auch andere Spieler ins Scheinwerferlicht bringt. Denn sie gehören genauso zum Team und diese Erfahrung ist sehr wichtig als Spieler.“

Kollers Geständnis: „Wenn ich enttäuscht oder wütend bin, ist es für mich am besten, den Kameras aus dem Weg zu gehen. Voller Adrenalin ist es schwieriger, seine Reaktionen zu kontrollieren“. Also wird Koller während der WM nie enttäuscht, wütend oder voller Adrenalin auf den Küniglberg ins ORF-Studio kommen. Im UEFA-Interview gab Koller auch zu,  dass er als Teamchef fast zweieinhalb Jahre gebraucht habe, um seine Ideen zu vermitteln, bis er den Eindruck hatte, ok, jetzt können die Spieler das umsetzen.“ Als Rat gab er angehenden Trainern mit auf den Weg, offen und ehrlich zu sein.  Zum Abschluss skizzierte er an einem Beispiel, wieso David Alaba für ihn ein Topspieler  mit unglaublich schneller Wahrnehmung ist: „Als ich in Österreich anfing, gab es bei einem der erste Trainings im Abschlussspiel einen hohen Ball. Der Spieler hat ihn angenommen und Alaba stand als Gegner drei Meter weg von ihm. Ich habe das Spiel unterbrochen und David gesagt: Wenn  er den Ball annimmt und du bist schon bei ihm, dann hat er nicht die Zeit, den Ball zu kontrollieren. Wenn du drei Meter weg bist, kann er den Ball in aller Ruhe annehmen und wir sind im Nachteil. Ich möchte, dass du direkt bei ihm bist.“ Zwei Minuten später, bei einer fast gleichen Situation, sei Alaba schon nah am Gegenspieler gestanden: „Perfekt umgesetzt in knapp zwei Minuten.“ Was man sich als Trainer von seinen Spielern wünscht, ist derzeit als TV-Analytiker auch im WM-Studio notwendig.

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