Die Zahlen und Statistiken sind fürchterlich: in 43 Jahren Bundesliga hatte Rapid nach 25 Runden noch nie so wenig Punkt wie jetzt. Die 29 bedeuten einen grün-weißen Minusrekord. Fünf Spiele in diesem Jahr ohne Sieg, drei Niederlagen hintereinander machen´s möglich. Jetzt ist auch die Admira vor Rapid- nur noch Rang sechs für den Klub, dessen Chefetage mit Präsident Michael Krammer an der Spitze mit dem neuen Stadion im Rücken den Meistertitel als alternativloses Saisonziel ausgab. Das sollte man nicht vergessen. Aber acht Monate nach dem Saisonstart mit dem umjubelten 5:0 gegen den nunmehrigen Letzten Ried muss man bei 24 Punkten Rückstand auf Platz eins zu Titelverteidiger Salzburg ausser mit Sorgen auch mit spöttischen Kommentaren leben. Wie von Sky-Kommentator Martin Konrad, der locker während der zweiten Hälfte beim 1:2 (0:1) gegen Sturm Graz in Richtung Damir Canadi bemerkte: „Ja wenn der Präsident persönlich einen Trainer aussucht, dann überlebt der auch mit einer solchen Bilanz“.
Wenn er in elf Runden nur zweimal gewinnt. In Graz hätte es aber den dritten Sieg geben müssen: „Wir dürfen nicht aufhören, es erzwingen zu wollen, den Ball über die Linie zu bringen“, stellte der zur zweiten Hälfte zu seinem 516. Pflichtspieleinsatz bei Rapid eingewechselte Kapitän Steffen Hofmann fest. Die grün-weißen Fans verabschiedeten die Verlierer in Graz nicht mit Schimpf und Schande, sondern mit aufmunterndem Applaus. Das bedeutet: Auch Samstag gegen Mattersburg wird der Block West die Mannschaft, in der Joelinton, der Torschütze in Graz, wegen einer Gelbsperre fehlen wird, unterstützen. Aber wenn es gegen den Vorletzten in Hütteldorf nicht klappt, dann…
Der einzige Erfolg von Rapid in Graz: Das Gastspiel sorgte für den besten Besuch in dieser Saison, 15.800 Zuschauer. Das 3-4-3-System des FC Barcelona sorgte zwar wie erwartet für keine Leckerbisssen wie in Camp Nou, aber den Willen, unter allen Umständen die schwarze Serie zu beenden,konnte man der Mannschaft wirklich nicht absprechen. Und wenn Sportchef Fredy Bickel nachher auf seinen Schweizer Landsmann, Referee Alain Bieri, nicht gut zu sprechen war, blieb das nachvollziehbar. Der Handelfer zur Grazer Führung sorgte zumindest für Diskussionen. Für Sky-Analytiker Heribert Weber, Rapids Ehrenkapitän mit Sturm-Vergangenheit, klar zu geben. Für Sturms Trainer Franco Foda eine fifty-fifty-Entscheidung, bei der einige Referees Elfer geben, einige nicht. Für Verlierer Canadi eine Fehlentscheidung, da er beim TV-Studium erkannte, dass die Flanke von Stefan Hierländer Andreas Kuen an der hinteren Schulter, aber nicht an der ausgestreckten rechten Hand traf.
Nichts zu diskutieren gab es darüber, dass Rapid nach der Pause, als Sturm noch 1:0 führte, auch einen Elfmeter hätte bekommen müssen. Als Sturms Kapitän Christian Schulz im Strafraum Giorgi Kvilitaia klar am Fuss traf. Aus der Umschaltaktion entstand der zweite Treffer der Grazer. In der Lage, in der sich Rapid befindet, kommt alles zusammen. Oder wie es Stefan Schwab ausdrückte: „Wir dürfen nicht zu viel jammern, aber es läuft alles gegen uns.“ Überhaupt der zweite Treffer von Sturm, übrigens der erste Torschuss der Sieger nach dem verwandelten Elfmeter: Mit 107 Stundenkilometern aus 35 Metern. So spektakulär der Kracher des Griechen Charalampos Lykogiannis aussah, musste man sich doch fragen: Wirklich unhaltbar? Lykogiannis hatte Canadi schon bei seinem ersten Heimspiel als Rapid-Trainer geschockt. Mit einer Zauberfreistoss zur Führung – Endstand am 27. November so wie auch Sonntag in Graz 2:1 für Sturm. Wobei Rapid zum Unterschied von damals gestern als bessere Mannschaft verlor: „Das tut uns sehr weh“ gestand Canadi. Vielleicht typisch, dass gerade der Rapidler mit dem größten läuferischen Aufwand, Mario Pavelic, die letzte Chance in der dritten Minute der Nachspielzeit vergab, als er den Ball aus einem Meter nicht an Torhüter Christian Gratzei vorbei brachte. Rapid kam in Graz zu klareren Chancen als bei der 0:1-Niederlage gegen Salzburg eine Woche zuvor, aber am Ende stand wieder kein Punkt.
„Klaren Kopf bewahren. Es ist meine Aufgabe, die Mannschaft wieder aufzurichten“. Als Canadi dies in die „Sky-Kameras“ sagte, hatte man den Eindruck, als würde zumindest zu dem Zeitpunkt auch der Trainer einen brauchen, der ihn aufrichtet. Eines seiner Probleme brachte Weber auf den Punkt: „Man hat ja fast schon den Eindruck, dass die Rapid-Stürmer immer ungefährlicher werden, je näher sie dem Tor kommen“. Mit der Auswahl der Stürmer hatte Canadi nichts zu tun. Die passierte in Müllers Büro, beim ehemaligen Sportchef Andreas Müller.