Als Harald Lechner Montag bei der „Bruno“-Gala des Vereins der Fußballer zum fünften Mal als Schiedsrichter der Saison geehrt wurde, meinte Österreichs Topreferee zum Thema Videobeweis offen und ehrlich, der werde den Unparteiischen zwar den Job erleichtern, aber Fehlentscheidungen nicht komplett verhindern können. Vier Tage später gaben ÖFB-Präsident Leo Windtner und Bundesliga-Vorstand Christian Ebenbauer offiziell die Einführung des Videobeweises in Österreich bekannt. Ab dem Frühjahr 2021 in der Bundesliga, also eineinhalb Jahe früher als geplant. Dafür stellt der ÖFB eine Millionen Euro zur Verfügung, die laufenden Kosten von 1,5 Millionen übernimmt die Liga, zweigt sie zum Teil von den Einnahmen aus der Zentralvermarktung ab. Alles, was Windtner und Ebenbauer dazu sagten, kann man vorbehaltlos unterschreiben. Vom großen und wichtigen Schritt bis zur Behauptung alles, was den Fußball gerechter mache, verbessere ihn auch. Aber trotzdem wird auch Lechner recht behalten. Die Einführung der Torlinientechnologie, sprich „Hawk Eye“, kann sich die Bundesliga hingegen nicht leisten.
Aus der Erfahrung der Ligen, die bisher schon den Videobeweis einführten, stieg der Anteil der richtigen Entscheidungen von 93 auf 99 Prozent. Fünf Checks mit einer Dauer von einer Minute gibt es im Schnitt pro Match, in jedem dritten konnte dadurch eine klare, offensichtliche Fehlentscheidung bei Strafraumszenen, Elfmeterpfiffen oder roten Karten verhindert werden. Die Diskussionen, was eine Fehlentscheidung ist und was nicht, werden auch in Österreich kommen. Das ist so sicher wie das Amen im Gebet. Ist das erst die rote Karte oder schon eine falsche gelbe, weil ja die dann die Ampelkarte nach sich ziehen könnte? Solche Beispiele gibt´s genug, in jüngster Vergangenheit etwa beim Cupschlager zwischen Rapid und Red Bull Salzburg um Gelb-Rot von Rapids Kapitän Stefan Schwab. Die Entscheidung über die klare Fehlentscheidung wird in der Bundesliga der Videoreferee treffen. Und der wird auch in Österreich nicht von menschlichen Fehlern, die bisher in Deutschland, England, eigentlich in allen Ligen mit Videobeweis passierten, nicht verschont bleiben.
Eineinhalb Jahre blieben in Österreich Zeit für die Ausbildung des Video Assistant Referees. Ob der wie in Deutschland oder England in einem zentralen Raum sitzen wird oder wie bei der Champions League in einem Übertragungswagen beim Stadion, das wird erst festgelegt. Es gibt für beide Varianten ein Für und Wider. Ansonst wird sich Österreich eher an das deutsche Modell anlehnen als an das englische. Bei dem die letzte Entscheidung der Referee auf dem Feld liegt, der sich zuvor die strittige Szene nochmals in der Review Area am Spielfeldrand angeschaut hat. In Englands Premier League gilt die Review Area hingegen eher als Sperrgebiet, darf nur in Ausnahmefällen genutzt werden. Die Referee sollen ihrem Video-Assistenten vertrauen. Grund: Eine Eigen-Überprüfung sorge oft für eine längere Spielunterbrechung. In England müssen sich der Video-Schiedsrichter und sein Assistent die strittigen Szenen erstmals dreimal ohne Zeitlupe anschauen, Weil Zweikämpfe und Handspiele in Slow Motion oft dramatischer aussehen als sie es tatsächlich waren. Erst wenn die drei Überprüfungen kein sicheres Urteil zulassen, darf die Zeitlupe eingesetzt werden.
In Deutschland werden die Fans erst in dieser Saison, der dritten sseit Einführung, über die TV_Wände informiert, was geprüft wird, wie das Ergebnis lautet. Die Premier League liefert das von Beginn an. Nur im Old Trafford von Manchester United und an der Anfield Road beim FC Liverpool geht das nicht, weil die Videowände zu klein sind. Dort wird per Lautsprecherdurchsage informiert. Trotzdem gibt es im Mutterland des Fußballs sehr kritische Stimmen: „Die Anwendung des Videobeweises ist Mist! Er sollte dem Spiel zugutekommen, saugt aber das Leben aus ihm heraus“. Das Zitat stammt von der Stürmer-Legende Gary Lineker.
In Österreich droht mit der Einführung ab 2021 ein Personalproblem. Benötigt werden pro Match ein Video-Referee, ein Assistent und zwei Techniker. Die Altersklausel gibt es nicht mehr. Wenn einer mit 50 den Fitnesstest erfolgreich absolviert darf er auch in diesem Alter pfeifen, wenn es ihn noch Spaß macht. Der erhöhte Personalaufwand soll aus der aktuellen Schiedsrichterliste rekrutiert werden. Oder aus Unparteiischen, die ihre Karriere gerade beenden, wenn sie daran Interesse zeigen, als Video-Referee dabei zu bleiben. In dieser Saison pfiffen bisher in der Bundesliga 19 Schiedsrichter. Mit dem Videobeweis werden aber ab 2021 pro Runde inklusive der vierten Referees am Spielfeld 24 benötigt. Bleibt die Frage, wie es ab 2021 in Österreich mit dem finanziellen Anreiz aussehen wird. In Deutschland kassieren die Unparteiischen pro Einsatz 5000 Euro plus einem Grundgehalt, das bis zu 80.000 Euro gehen kann. In der Premier League nur 1300 pro Match plus Grundgehalt bis 47.000 Euro. Zahlen, von denen österreichische Schiedsrichter nur träumen können.