Altachs neuer Trainer Martin Scherb genoss in der Neujahrswoche den Skiurlaub in Salzburg. Musste aber in Flachau zur Kenntnis nehmen, wie groß der Respekt der Arrivierten vor dem sensationellen Winterkönig aus Vorarlberg geworden ist. Auch beim Meister und Tielverteidiger Salzburg, der in etwa das sechsfach höhere Budget aus Altach haben wird. Dennoch beorderte Sportchef Christoph Freund seinen Schweizer Leihspieler Dimitri Oberlin aus Altach zurück. Eine Klausel im Leihvertrag macht dies möglich. Und die nützte Freund, um Altach für das Frühjahr zu schwächen. Nichts anderes steckt hinter der legitimen Aktion, die Freund mit den Worten „wir halten uns alle Optionen offen“ kommentierte.
Der in Kamerun geborene 18jährige Oberlin kam bei 20 Einsätzen auf neun Tore, bewies ein trickreicher, schlitzohriger, wendiger Angreifer zu sein, der Altach weiter half, auch wenn er bei Damir Canadi mitunter auf der Bank begonnen hatte. Offenbar geht jetzt in der Red Bull-Etage die Angst um, dass Oberlin im Altach-Dress sogar Salzburgs Titelverteidigung ernsthaft gefährden könnte. Anders ist die Rückrufaktion, von der man bereits im Dezember hörte, nicht zu erklären, die Altach auch als Anerkennung werten darf. Der Respekt vor dem Aussenseiter ist im Herbst um einiges größer geworden. Salzburg orientiert sich dabei offenbar am Vorbild Bayern München. Auch der deutsche Renommierklub holte oft Spieler, nur um die Konkurrenz, die vielleicht zur Gefahr wachsen könnte, einzubremsen.
So macht das Salzburg bei Oberlin, der Montag die Vorbereitung als siebenter Stürmer im Kader von Oscar Garcia beginnen wird. Kapitän Jonathan Soriano (im Herbst sechs Tore in elf Spielen) ist wieder fit. Ebenso der noch für vier Spiele gesperrte Brasilianer Wanderson. Dann hat Garcia noch den Israeli Dabbur, den Südkoreaner Hee-Chan Hwang, den Japaner Minamino und den Norweger Gulbrandsen zur Auswahl. Damit könnte man sicher das Auslangen finden, um den Titel zu verteidigen. Es wird nicht auf Oberlin ankommen. Abwarten, ob er noch ab 22. Jänner beim Trainingslager im NAS-Sports Complex in Dubai, in dem sich nächste Woche der Hamburger SV auf das Frühjahr vorbereitet, dabei ist. Freund deutete bereits an, Oberlin eventuell nach England oder Deutschland zu verleihen. Nur nicht weiter Altach.
Wird dort Sportchef Georg Zellhofer auf den Oberlin-Verlust reagieren? Auch ohne den Schweizer stehen Scherb vorerst fünf Angreifer zur Verfügung, wenn dem in der Saison noch nicht zum Einsatz gekommenene Altacher Rekordschützen Hannes Aigner (22 Tore seit 2014) mit fast 35 nach einem Knochenmarksödem vor der Ferse das Comeback gelingt, sechs. Die Kandidaten für Scherb nach dem Oberlin-Verlust: LASK-Leihgabe Nikola Dovedan (bisher sieben Tore in 18 Spielen), Routinier Louis Ngwat Mahop (3/18), die 22jährige Kamerun-Hoffnung Nicolas Moumi Ngamaleu (3/12), die 20jährige Austria-Leihgabe Nikola Zivotic (2/8) und Martin Harrer (0/9). Ngwat Mahop und Ngamaleu stehen nicht im Kader von Kameruns belgischem Teamchef Hugo Broos für den Afrika-Cup in Gabun ab 14. Jänner.
Scherb mag schon recht haben, wenn er bezüglich der Altacher Perspektiven meinte, auf Dauer gebe es in Österreich kein Rankommen an Salzburg, Rapid, Austria und Sturm Graz, man nur trachten könne, stets „the best of the rest“ zu sein. Aber reizen tut ihn die Herausforderung, das Gegenteil zu beweisen, sicher.