Fußball

Russisches Sommermärchen: Jetzt kann „Stani“ taktisieren

Wer vor zweieinhalb Wochen in Innsbruck Russland gegen Österreich 0:1 verlieren sah, der hatte fast Mitleid mit „Stani“ Tchertschessow und seiner WM-Mission, für den war es unvorstellbar, dass diese Mannschaft ohne herausragenden Einzelspieler für eine Art russisches Sommermärchen sorgen konnte. Trotz der nicht übermächtigen Startgegner Saudiarabien und Ägypten. Aber dem Teamchef mit Tiroler Vergangenheit und Zweitwohnsitz in der Nähe von Innsbruck ist´s besser gelungen als damals alle glaubten. Als es darauf ankam, präsentierte sich sein Team als aggressiv, diszipliniert, laufstark und sehr, sehr effizient, lässt die Fans jubeln. Zur Eröffnung über ein 5:0 gegen Saudiarabien und Dienstag Abend  64.500 in St. Petersburg. und zehntausende in der Moskauer Fanzone über das 3:1 (0:0) gegen Ägypten. Damit ist der Veranstalter so gut wie sicher die erste Mannschaft im Achtelfinale. Und das schaffte Russland  zuvor noch nie: „Es sind wunderbare Erlebnisse“, gestand Tschertschessow beim ersten Interview, „wir wollten einfach gewinnen und haben das geschafft.“ Später folgte die Warnung: „Wir sollten uns nicht selbst täuschen, müssen uns noch verbessern.“

Sicher half, dass bei einer Weltmeisterschaft die offenbar auf einen Rekord an Eigentoren zusteuert, der bei sechs aus der WM 1998 in Frankreich liegt, Der Ägypter Ahmed Fathy war kurz nach der Pause praktisch der Dosenöffner für die „Sbornaja“, als er einen verunglückten Schuss von Roman Zobnin ins eigene Tor abfälschte.  Das fünfte Eigentor dieser WM. Aber dann folgten zwei Tore in drei Minuten. Durch Villarreal-Legionär Denis Cheryshev nach einer Superaktion und den 1,96 Meter großen Sturmriesen Ayrtom Dzyuba. Bei Cheryshev, den Real Madrid vor zwei Jahren um sieben Millionen Euro an Villarreal verkauft hatte, kann man sagen, dass „Stani“ sozusagen zu seinem Glück gezwungen wurde. Er kam zum Zug, weil Alan Dzagoev beim Startspiel verletzt raus musste. Cheryshev traf danach zweimal, Dienstag einmal, holte Cristiano Ronaldo in der Schützenliste ein. Bei Dzyuba  ist das anders. Den brachte Tschertschessow beim Start als Joker, der für das 3:0 gesorgt hatte und gestern von Beginn statt des russischen Torschützenkönigs Fedor Smolov. Weil er ahnte, dass der wuchtige Dzyuba der ägyptischen Abwehr mehr Probleme bereiten würde als der beweglichere Smolov. Damit lag „Stani“ richtig. Dzyuba sorgte für das 3:0. Erst danach kam Ägypten Topstar Mo Salah zu seinem ersten WM-Tor. Aus einem Elfer, den er selbst herausgeholt hatte. Aber es zeigte sich, was Tschertschessow vor der  WM behauptet hatte: Salah hat bei Ägypten nicht so starke  Nebenspieler wie beim FC Liverpool, die ihn in Szene setzen können.

Bei Dzyuba zeigte Teamchef „Stani“ schon ein halbes Jahr vor der Weltmeisterschaft Weitsicht: Dzyuba gehört Zenit St. Petersburg, kam dort aber nicht zum Zug. Wie man hörte, schaffte es „Stani“ hinter den Kulissen, dass der Riese im nationalen WM-Interesse ein halbes Jahr an Arsenal Tula verliehen wurde, um dort Spielpraxis zu bekommen. War offenbar das richtige Rezept. Gegen Ägypten erzielte Dzyuba sein 13.Tor im 25.Länderspiel, sein Marktwert stehen auf sieben Millionen Euro. Und „Stani“ ist mitten im russischen Sommermärchen, vor dem letzten Gruppenspiel am Montag gegen Urugauy in Samara in der glücklichen Lage, taktieren zu können: Will er lieber als Gruppenerster ins Achtelfinale nach Sotschi  oder als Zweiter wieder im Luschniki-Stadion von Moskau spielen? Will er lieber Spanien oder Europameister Portugal mit Ronaldo ausweichen? Gegen wen sieht er bessere Chancen, als Aussenseiter vielleicht sogar unter die letzten acht zu kommen? Das kleine Problem dabei: Spanien und Portugal haben auch Montag ihre letzten Gruppenspiele, aber vier Stunden später als Russland.

Mit den Russen jubelte Dienstag Abend auch ein Linzer „Teamchefski“: Der hatte 30 Euro für eine tipp 3-Wette bei den Dienstag-Spielen, riskiert setzte auf Sieg Japan, Sieg Senegal und Sieg Russland. Das brachte ihm ein neues Urlaubsgeld von 45.000 Euro.

 

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