Als Islands Inselkicker Österreich am 22. Juni 2016 im Stade de France von Paris durch ein Tor von Rapid-Legionär Arnor Traustason 2:1 bezwangen, alle EURO-Träume in rot-weiß-rot zerstörten, galt dies zu Recht als riesige Blamage. Ein Jahr später blamieren die Isländer beim Fernduell in der WM-Qualifikation Österreich noch immer. Und zwar kräftig: Von sechs Spielen vier gewonnen, voll im Rennen um das WM-Ticket. Sonntag schlugen sie in Reykjavik durch das Kopftor des 24jährigen Bristol-Innenverteidiger Höraur Magnusson, der bei der Euro nicht dabei war, erst sein zehntes Länderspiel absolvierte, Kroatien 1:0, holten den Tabellenführer ein. Da jubelten auf der Bank Traustason und Helge Kolvidsson, Ex-Trainer von Austria Lustenau, Wr.Neustadt und Ried. Dem Assistenten von Teamchef Heimir Hallgrimsson gratulierte später via Handy der deutsche Trainerstar Jürgen Klopp via SMS. Kolvidsson gehört seit gemeinsamen Mainzer Spielerzeiten zum Clan von Klopp.
Österreich liegt nach einem verhängnisvollen Schubser von Irlands-Stürmer Jonathan Walters gegen Aleks Dragovic, der den Sieg in Dublin kostete, nicht gleichauf mit dem Tabellenführer, sondern vier Punkte zurück. Hat zum Unterschied von Island zwei Siege weniger gefeiert und eine Niederlage mehr kassiert. „Wir sind enttäuscht“, gestand Kapitän Julian Baumgartlinger, „haben leider die Linie verloren.“ Sebastian Prödl fand das schwer zu verdauen, andererseits einen Punkt in Dublin nicht so schlecht. Fakt ist, dass Österreich zwei mehr gebraucht hätte. Wer Dragovic mit Eisbeuteln und Verbänden am linken Schienbein und Knöchel beim TV-Interview stehen sah, der fragte sich noch einmal, ob der gelungene Schubser gegen ihn nicht doch damit etwas zu tun hatte. Es ehrt zwar seine Einstellung, dass er so viel Adrenalin spürte, um nicht runter zu wollen, das Spiel zum Ende zu bringen, weil er wusste, wie schwer es für einen Nachfolger sein würde, gleich bei dem körperbetonten irischen Angriffen ins Spiel zu finden, aber da hätte schon der Teamchef eingreifen müssen. Ohne den Foulpfiff des spanischen Referees David Fernandez Borbalan beim zweiten irischen Tor durch Shane Duffy hätte es noch schlimmer enden können. Stefan Lainer gab zu, dass Bobalan die Attacke des Innenverteidigers gegen ihn im Luftkampf mit dem linken Ellbogen nicht unbedingt pfeifen musste. Prödl versicherte, ein britischer Schiedsrichter hätte nie auf Foul entschieden. Darum tobte Irlands Teamchef Martin O´Neill über Borbalan.
Wales und Österreich liegen je vier punkte hinter Serbien und Irland. De Behauptungen von Wales-Teamchef Chris Coleman, dass in der Gruppe noch alles offen sei, klangen nach dem 1:1 von Belgrad jedenfalls glaubhafter als die von Marcel Koller nach dem 1:1 von Dublin. In seiner Heimat Schweiz titelte der „Blick“ , dass sein Trainerstuhl gewaltig wackelt, sprach von einer Herkulesaufgabe, die Qualifikation noch zu schaffen. Wales hat mit den zwei Heimspielen gegen Österreich und Irland zum Abschluss auch die bessere Auslosung. Koller versprach für den 2. September in Cardiff volles Risiko, forderte zu mehr Optimismus auf, das Team besser zu unterstützen, wenn die Situation nicht so rosig ist.
Das bedeutet: Koller verlangt, vor der Realität die Augen zu verschließen. Man muss Serbien sechs Punkte aus den Heimspielen gegen Moldawien und Georgien zutrauen, das würde insgesamt 18 machen. Also bräuchte Österreich vier Siege, sprich zwölf Punkte, um die Serben zu überholen. Kann man das derzeit erwarten? Die Antwort heißt nein. Auch weil nach den Versicherungen von der optimalen Vorbereitung auf Dublin samt Superstimmung die Wahrheit am Rasen des Aviva-Stadiums ganz anders aussah. Jetzt den Optimismus daran aufzuhängen, wie Koller es tut, dass Marko Arnautovic, Marcel Sabitzer, Marc Janko, Stefan Ilsanker, vielleicht Alessandro Schöpf im September zur Verfügung stehen, am Beginn einer Saison die Spieler frischer sind als jetzt am Ende, kann auch bedeuten, sich in den eigenen Sack zu lügen. Den Walisern werden in Cardiff zwar Arnautovic-Mitspieler Joe Allen und Brutalo-Verteidiger Neil Taylor wegen Sperren fehlen, aber sie können mit Ausfällen leben. Siehe Gareth Bale in Belgrad. Auch die Waliser werden in drei Monaten frischer sein als jetzt im Juni. Und Arnautovic muss es erst einmal gelingen, besser zu spielen als sein Ersatz Florian Kainz in Dublin.
Auch darauf gibt´s keine Garantie. Aber solche Gedanken darf man bei Kollers Optimismuswünschen nicht haben. Auch Zweifel, ob David Alaba im zentralen Mittelfeld wirklich am meisten hilft, sind nicht erlaubt. Dazu fiel Alfred Tatar, dem Sky-Experten mit UEFA-Trainerlizenz, am Stammtisch des TV-Senders im Bermuda-Bräu der Satz ein: „Irgendwann muss man einmal sagen, es ist genug, spiel auf deiner angestammten Position als linker Verteidiger. Der David interpretiert da mehr in sich hinein als da ist auf im Mittelfeld.“ Tatar wusste, das ihn alle für diesen Sager prügeln werden. Wirklich alle?