Fußball

Wolfsberg und der 1:21-Schatten von Erdogan

Drittes Kapitel im Europa League-Märchen des Kärntner Dorfklubs Wolfsberg: Wer auswärts den deutschen Tabellenführer Mönchengladbach 4:0 deklassiert, in Graz AS Roma ein 1:1 abtrotzt, der traut sich auch beim bisher sieglosen türkischen Vizemeister Basaksehir Istanbul, der in Rom 0:4 verlor, gegen Gladbach daheim in letzter Minute den Ausgleich zum 1:1 kassierte, etwas zu. Ein größerer Aussenseiter als in Mönchengladbach kann Wolfsberg auch Donnerstag Abend am Bospurus beim Lieblingsklub des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan nicht sein. Der soll schon 1990 an der Vereinsgründung beteiligt gewesen sei, läßt von Vertrauensleuten wie Präsident Göksel Gümüsdag den Klub führen, sorgt mit seinen Verbindungen dafür, dass Basaksehir nicht ähnliche Finanzprobleme hat wie die Istanbuler Großklubs Galatasaray, Fenerbahce und Besiktas. Das vor fünf Jahren eröffnete, 17.500 Zuschauer fassende neue Stadion, ist nach dem Galatasaray-Trainer benannt. Weil Fatih Terim als der erfolgreichste türkische Trainer gilt. Das nennt man Staatsräson.

Ein Blick auf den Marktwert der Kader zeigt, dass Basaksehir eine andere Fußballwelt bedeutet als Wolfsberg. Aber gegen Mönchengkadach und Roma waren die Unterschiede noch um einige Millionen größer als jetzt gegen  den Vierten der türkischen SüperLig.  Genau 47,65 Millionen liegen zwischen Wolfsberg (11,65) und Basaksehir (59,30). Trainer Okan Buruk hat 21 Spieler mit einem siebenstelligen Marktwert zur Verfügung, Gerhard Struber nur einen. Das ist Israels Teamstürmer Shon Weissman, der beim Internetportal Transfermarkt mit einer Million zu Buche steht. Elf weniger als der bosnische Teamspieler Edin Visca bei Basaksehir, der Torschütze gegen Mönchengladbach. Das Verhältnis von 1:21 macht aber bei Wolfsberg keinen kopfscheu.

Bei Basaksehir spielt das Alter keine Rolle. Da gilt fast die Devise trau keinem unter 30. Der Abgang des 39jährigen Leaders Emre Belözoglu, der zu Fenerbahce zurückkehrte, gilt bis jetzt nicht als kompensiert. 34 Jahre alt sind bereits der slowakische Abwehrchef Martin Skrtel, der von 2008 bis 2016 beim FC Liverpool unter Vertrag stand, der Franzose Gael Clichy, früher Linksverteidiger bei Manchester City, der ehemalige Schweizer Tamkapitän Gökhan Inler, der zuvor den Dress von Leicester, Napoli und Udinese trug und Senegal-Stürmer Demba Ba. Der älteste ist Robinho, 35jähriger brasilianischer Angriffskünstler mit  Vergangenheit bei Manchester City, Milan und Real Madrid. Der ehemalige Valencia-Legionär Mehmet Topal ist inzwischen 33, ein Jahr jünger Arda Turan, der auch mit Skandalen Schlagzeilen macht. Dennoch war Erdogan Trauzeuge des ehemaligen Barcelona-Spielers. Das verbindet Turan mit dem ehemaligen deutschen Teamspieler Mesut Özil.

„Die haben alle noch immer Klasse,um einen Gegner Probleme zu bereiten“, bemerkte Struber zu Recht über die Basaksehir-Rentnerband. Geradezu Jünglinge sind bei Basaksehir Speiler mit 27. Wie der Serbe Milos Jojic, der früher unter Peter Stöger beim 1. FC Köln erfolgreich gespielt hatte und der im Sommer von Red Bull Salzburg gekommene Fredrik Gulbrandsen (Bild oben). Die Bilanz des norwegischen Stürmers im orangen Basaksehir-Dress: Zwei Tore in zehn Pflichtspielen, In der Qualifikation zur Champions League scheiterte Basaksehir an Griechenlands Meister Olympiakos. Eine hektisch, fanatische Atmosphäre dürfte Wolfsberg nicht befürchten müssen: Letzten Sonntag sahen nur 6000 Zuschauer den 2:1-Heimsieg über Göztepe Izmir durch ein Tor von Skrtel in der Nachspielzeit. Wolfsberg widerstand an diesem Tag sogar 21.000 Rapid-Fans im Hütteldorfer Allianz-Stadion. Und so trauen sich die Kärntner zu, Istanbul ohne Niederlage zu verlassen, damit vor dem deutschen Tabellenführer zu bleiben. Mönchenglaabach kämpft im Olympiastadion von Rom beim Sechsten der Serie A, AS Roma, um den ersten Sieg in dieser Europa League.

Foto: Basaksehir Istanbul Media.

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