Zwei Spiele, zwei Siege, 9:2-Tore. Beeindruckend, wie Deutschlands U 21 bei der Europameisterschaft agiert, den Befehl von Teamchef Stefan Kuntz, den vor zwei Jahren unter ihm in Polen gewonnenen Titel nicht zu verteidigen, sondern zu erobern beherzigt. 18 Spiele ungeschlagen. Wie soll es Österreich am Sonntag gelingen, Deutschland zu stoppen, mit einem Sieg ein Wunder und den Aufstieg zu schaffen? Theoretisch ist das möglich, aber wer sah, wie leer die österreichischen Hoffnungen drei Tage nach dem Riesenaufwand beim Sieg gegen Serbien wirkten, kann sich nicht vorstellen, dass sie bis Sonntag so ihre Akkus aufladen, um bestehen zu können. Wenn es aber eine Herausforderung braucht, die für sehr viel Adrenalin sorgen kann, dann ist es für Österreich das Duell gegen den großen Nachbarn.
Zwei Jahre seiner Jugend verbrachte Kuntz auch in Wien. Er war gerade acht, als sein inzwischen 80jähriger Vater Günther als Mittelfeldmotor der Austria Ende der Sechzigerjahre zweimal Meister in der Trainerära von Ernst Ocwirk wurde. Als Spieler hatte er mit 24 sein Highlight: Europameisterschaft mit Deutschland im Londoner Wembley-Stadion unter Teamchef Berti Vogts. Zuvor war er bereits Bundesligaschützenkönig, Meister und Pokalsieger mit Kaiserslautern. Die Trainerkarriere begann zwischen 1999 und 2003 bei Borussia Neunkirchen, Karlsruhe, Waldhof Mannheim und Ahlen nicht verheißungsvoll. Also sattelte er um. Wurde bei Bochum zwei Jahre Sportchef, dann acht Jahre Vereinsvorstand bei Kaiserslautern. Da kam es auch zur Begegnung mit Österreichs aktuellem Teamchef Franco Foda: Er engagierte ihn 2012 zu Zweitligazeiten als Trainer, feuerte ihn am 29,August 2013 nach fünf Runden der zweiten Foda-Saison bei den roten Teufeln. Daher wird das Wiedersehen zwischen Kuntz und Foda im Stadio Friuli nicht sehr herzlich ausfallen, sollte Österreichs Teamchef Sonntag auch beim dritten Spiel der U21 auf der Tribüne sitzen. „Damals sind nachher viele Unwahrheiten erzählt worden“, ärgert sich Foda noch Jahre danach. Das ist auch ein Vorwurf in Richtung Kuntz. Einen Job in Deutschland bekam Foda danach nicht mehr.
Als Kuntz 2016 auf dem Betzenberg aufhörte oder aufhören musste, war der Traditionsklub als Zehnter der zweiten Liga schon in schweren Finanzproblemen. Darum war es überraschend, dass er am 1. September 2016 als Nachfolger von Horst Hrubesch den Job als U 21-Teamchef bekam. Nach 13jähriger Trainerpause. Aber das wurde zur Erfolgsstory. Am Tag nach dem Kantersieg gegen Serbien verglich ihn „Bild“ sogar mit Jürgen Klopp, dem Erfolgstrainer von Champions League-Sieger FC Liverpool. Weil sowohl Klopp als auch Kuntz als TV-Experten bei den Fans sehr gut angekommen waren. Klopp bei der Euro 2008 und WM 2010, Kuntz vor einem Jahr in der ARD beim deutschen WM-Debakel in Russland. Weil beide immer freundlich sind, immer sympathisch rüberkommen, Weil Kuntz inzwischen ein ähnliches 4-3-3- spielen lässt wie Klopp in Liverpool. Darauf stellte er die Mannschaft taktisch beim Trainingslager in Südtirol um. In Geheimtrainings. Der Platz wurde mit Planen verhängt, in den Weinbergen über dem Trainingsgelände patrouillierten Sicherheitskräfte, damit kein Spion zusehen konnte.
Kuntz prophezeite vor der Europameisterschaft, es werde nicht viele deutsche Stürmertore geben. Beim 3:1 gegen Dänemark und 6:1 gegen Serbien erzielten Freiburg-Stürmer Luca Waldschmidt und Augsburg-Angreifer Marco Richter zusammen sieben Treffer. Als Kuntz Donnerstag Abend in Triest darauf angesprochen wurde, setzte er sein breites Grinsen auf: „Da sieht man, wie ahnungslos ich bin.“