Am Abend nach dem WM-Urknall, dem Ausscheiden von Titelverteidiger Deutschland, verlief in Moskau alles nach Papierform: Brasilien kam im Spartak-Stadion mit einem 2:0 (1:0) in seinem ersten Bewerbsspiel gegen Serbien sicher und souverän ins Achtelfinale, blieb damit unter Teamchef Tita in Pflichtspielen weiter unbesiegt. Möglicherweise stört es aber die selbstbewusste“Selecao“, dass die deutsche Blamage die Chance verhinderte, in der k,o.-Phase Revanche für das historische 1:7-Debakel vor vier Jahren im Semifinale der Heim-WM in Belo Horizonte zu nehmen. So spielt Brasilien Montag in Samara gegen Mexiko um den Aufstieg ins Viertelfinale. Möglicherweise ohne Linksverteidiger Marcelo, der gegen die Serben schon nach zehn Minuten mit einer Rückenverletzung ausschied. Sein Ersatz Felipe Luis von Atletico Madrid ließ aber nichts anbrennen. Brasilien hat eben Qualität: Für den Champions League-Sieger Marcelo kam der Europa League-Gewinner Felipe Luis.
Schön langsam näheren sich die Brasilianer ihren Favoritenrolle. Gegen Serbien vor allem mit mehr Effizienz als zuvor gegen die Schweiz und Costa Rica: Sie brauchten weniger Chancen für ihre Tore. Das 2:0 durch den Kopfball von Innenverteidiger Thiago Silva war die erste Aktion in der zweiten Hälfte, in der die Selecao den Ball auf das serbische Tor brachte. Zuvor hatte Österreichs Bezwinger in der WM-Qualifikation durch seinen Sturmtank Alexander Mitrovic zwei Möglichkeiten auf den Ausgleich. Eines zeigte auch das dritte Spiel der Brasilianer: Philippe Coutinho ist für den Erfolg wichtiger als Showman Neymar. Coutinho meckert und simuliert nicht so wie er, er lässt Taten sprechen, war an vier der fünf brasilianischen WM-Treffer entscheidend beteiligt: Führungstor beim 1:1 gegen die Schweiz, Führungstor gegen Costa Rica in der 91. Minute, dann Assist zum 2:0 für Neymar. Und gegen Serbien der perfekte Pass zum 1:0 von Paulinho. Eine Kombination der Barcelona-Legionäre. Wohl nicht zufällig, holte Spaniens Meisteer Coutinho als Nachfolger für Neymar, als er zu Paris St. Germain wechselte. Coutinho lieiß ihn vergessen. Seine Fans nennen den 25jährigen liebevoll „Pequeno Magico“. Der kleine Zauberer. Neymar feierte sich selbst für den Eckball vor dem 2:0. Er trommelt sich mehrmals mit der Faust auf die Brust.
Auch Österreichs Nachbar Schweiz jubelte. Selbst eine Niederlage gegen Costa Rica hätte nichts am Aufstieg geändert, aber in Nischni Nowgorod gab es das zweite Remis der Eidgenossen im dritten Spiel. Sie führten zweimal, am Ende hieß es 2:2 (1:0). Bei 0:0 brauchten die Schweizer zweimal Glück, als die Stange und die Latte Verlusttreffer verhinderten. Costa Rica halfen die ersten Tore bei dieser WM nicht mehr. Erstmals kamen die Schweizer bei einer Weltmeisterschaft weiter als der große Nachbar Deutschland. Jetzt gibt´s Dienstag in St. Petersburg ein europäisches Achtelfinale, mit dem die wenigsten rechneten: Schweiz gegen Schweden. Leckerbissen dürfte das keiner werden.