Am 12. März 2020 gab es das erste Corona-bedingte Geisterspiel in Österreich. Freitag wird der Jahrestag davon sein. Vom 0:5 des LASK im Achtelfinale der Europa League gegen Manchester United, das ausverkauft war. Aber kurzfristig kam der Befehl der Bundesregierung: Leere Tribünen auf der Gugl. LASK-Präsident Siegmund Gruber war mächtig sauer, weil zwei Tage zuvor noch RB Leipzig vor ausverkauftem Haus gegen Tottenham hatte spielen dürfen. Später entschuldigte er sich für seine verbalen Attacken, für die man damals durchaus Verständnis haben konnte. So skurril war die Atmosphäre damals. Kein Einklatschen, nichts. Aber so gewöhnungsbedürftig alles auch war, es wurde zum Alltag. Mit der Ausnahme von sechs Runden im Herbst 2020. Ein Jahr Geisterspiele, das bedeutet eine verdammt lange Durststrecke für alle Beteiligten. Von den Aktiven bis zu den Fans.
In Deutschland begann nach dem ersten Lockdown die Bundesliga am 16. Mai mit Geisterspielen, in Österreich am 3. Juni. Auf Basis des von der deutschen Liga ausgearbeiteten, beispielhaften Hygienekonzepts. Deswegen stimmte die Politik den Geisterspielen im Profifußball zu. Viele sehen darin ein Privileg, das noch immer für Diskussionen sorgt. Ein Jahr Geisterspiele führte sicher zu einer Art emotionale Entfernung des Großteils der Fans. Wer das nicht wahrhaben will, betreibt Realitätsverweigerung. Der Großteil der Spieler redet bei aller Erleichterung darüber, ihrem Beruf nachgehen zu können, doch davon, dass ihr Sport merkbar kühl geworden ist, es unterschätzt wird, sehr den Spielern die Zuschauer fehlen. Gemeinsam mit Fans zu jubeln oder zu leiden, das prägt doch. Momentan haben sie es schwer abzuschätzen, welche Meinung unter den Fans über ihre Darbietungen herrscht. Von einem, der daheim auf dem Sofia via „Sky“ die Bundesliga verfolgt, gibt es kein direktes Feedback wie von den Fans in den Stadien. Die Atmosphäre geht allen ab.
Die letzte Runde im Grunddurchgang der vergangenen Saison am 7. und 8. März war die letzte, in der vor Zuschauern gespielt werden durfte. Damals kamen zu den sechs Partien insgesamt 29.825 Besucher, davon knapp über 11.000 beim 2:0 von Red Bull Salzburg gegen Sturm Graz. Der Zuschauerschnitt in der ganzen Liga betrug bis dahin 6320 Zuschauer. Zu Rapid kamen durchschnittlich 18 666 Fans pro Heimspiel, daher ist bei Grün-Weiß der Einnahmeverlust der größte. Wenn man den Schnitt von 6320 als Grundlage nimmt, dann entgingen der Bundesliga allein in den 63 Spielen des Play-offs um Titel und Europa League-Qualifikation sowie gegen Abstieg nicht weniger als 398.160 Zuschauer. Etwas weniger waren es in den ersten sechs Runden im Herbst. Da durften die Stadien teilweise gefüllt werden. Der Rekordbesuch gab es im Hütteldorfer Allianz-Stadion in der ersten Runde am 11. September bei Rapids 4:1 gegen Admira mit 9800. Ab der zweiten Runde galt die Höchstgrenze von 3000 Zuschauern. So kamen in der sechs Runden insgesamt 78.480 Zuschauer, macht einen Schnitt von 2180. Um 3940 weniger als im Grunddurchgang 2019/20. Ergibt in den 36 Partien einen Verlust von 141 480 Zuschauern. Ab Anfang November gab es bis heute nur noch Geisterspiele. Insgesamt 84. Der Verlust: 530 880 Zuschauer. 63 Geisterspiele aus der letzten Saison und 84 in der laufen kosteten zusammen 929.040 Zuschauer. Mit dem „Verlust“ aus den ersten sechs Runden macht es zusammen 1,070 880.
In Deutschland errechnete die Liga Verluste. Die machen in den neun Runden der letzten Saison ohne Zuschauer 172 Millionen Euro aus. Demnach ergibt sich aus der gesamten Saison 2020/21 ohne Ticketeinnahmen ein Verlust von 650 Millionen. Macht seit März 2020 zusammen 822 Millionen Verlust. In Deutschland fiel der Anteil der Heimsiege ohne Zuschauer um neun Prozent, stieg der von Auswärtssiegen um sechs Prozent. In Österreich gab´s in der Meisterrunde 2020 in 30 Spielen 16 Auswärtssiege. Die deutsche Bundesliga klagt über 217 Millionen weniger Umsatz. Die Zahlen in Österreich? Die TV-Gelder sind weit geringer als in den europäischen Topligen, aber es gibt eine staatliche Not-Hilfe. Trotzdem werden die Verluste sicher im zweistelligen Millionenbereich liegen.
Die Liga steht zwar mit Gesundheits-und Sportministerium in ständigem Kontakt, aber realistisch gesehen darf man in dieser Saison nicht mehr mit der Rückkehr der Fans rechnen. Obwohl die Liga Bereitschaft signalisierte, bei allen Auflagen wie Schnelltests an den Stadioneingängen und Contact Tracing mitzutun, obwohl es bei den sechs Runden im Herbst keinen einzigen Cluster gab, rund um die 36 Spiele nichts passierte. Die Erlaubnis für 1000 Zuschauer pro Match würde in der obersten Spielklasse mehr Probleme als Nutzen bringen. Am vergangenen Wochenende versprach Bundeskanzler Sebastian Kurz, dass bis Sommer alle Österreicher geimpft sein werden. Wenn das kein leeres Versprechen bleibt, dann spricht ja nichts gegen das Ende der Geisterspiele und Zuschauer in der Saison 2021/22.
Foto: Wien Energie/Gepa.