So wie Italien spielt ein EM-Favorit! Das stand hier nach dem 3:0 der Squadra Azzura im Eröffnungsspiel der Europameisterschaft gegen die Türkei in Rom. Nach dem 2:1 (2:1) gegen Belgien im Schlager des Viertelfinales von München muss man sagen: So wie in den ersten 45 Minuten spielt wahrscheinlich der kommende Europameister. Es waren die bisher besten dieses Turniers. Wie ein vorweggenommenes Finale. Nach dem Israels Teamchef Willi Ruttensteiner, der Ex-Sportchef des ÖFB, als technischer Beobachter der UEFA Lorenzo Insigne (Bild oben), der eine Minute vor der Pause mit einem Traumtor, einem Schlenzer ins lange Eck, das 2:0 erzielte, zum „Man of the match“ kürte: „Er hat das Spiel entschieden, brillante Pässe gespielt, Fußballintelligenz und Technik auf höchstem Niveau gezeigt.“ Ist Österreich im Achtelfinale letzten Samstag gegen den neuen Europameister ausgeschieden?
Damals sagte Teamchef Robert Mancini den Satz : „Wir mussten leiden“. Freitag Abend in München versicherte er, obwohl es in der zweiten Hälfte mitunter eng wurde: „Wir haben nie gelitten! Der Sieg ist völlig verdient. Um Belgien zu schlagen, braucht man eine tolle Leistung von allen und genau das ist passiert.“ Erwischten die Italiener gegen Österreich einen schwächeren Tag, weil sie anders als zuvor in München und Freitag in München keine Tifosi auf den Rängen hatten, die sie anfeuerten oder lag es daran, dass im Viertelfinale zwei Mannschaften mit offenem Visier aufeinandertrafen? Belgien, die Nummer eins der Weltrangliste, wurde schon nach 90 Minuten geschlagen, Österreich erst nach 120. Und dennoch hatte man trotz Italien-Gala der ersten Hälfte auch sechs Tage nach Wembley das Gefühl: Österreichs Niederlage hätte nicht sein müssen. Und das hat nichts mit dem knappen Abseitstor von Marko Arnautovic zu tun.
Belgien, mit dem 19 jährigen Toptalent Jeremy Doku vom französischen Klub Rennes statt des verletzten Eden Hazard, hatte die ersten Chancen, doch nach 31 Minuten traf Italien. Ciro Immobile lag in Belgiens Strafraum am Boden, spielte den sterbenden Schwan, lenkte damit Belgiens Verteidiger Jan Vertonghen vielleicht etwas ab. Dem misslang der Befreiungsschlag, Italien kam in Strafraumnähe durch Jorginho wieder zum Ball, Mittelfeldspieler Nicolo Barella tanzte drei Belgier aus, traf ins lange Eck. Als Immobile dies merkte, litt er nicht mehr, sprang auf und jubelte mit. Ebenso nach dem 2:0. Dass Belgien vor der Pause noch zum Anschlusstor kam, lag am unsicheren slowenischen Referee Slavo Vincic, einen Landsmann von UEFA-Präsident Aleksander Ceferin. Nach einem Körpereinsatz von Verteidiger Giovanni di Lorenzo gegen Doku gab er einen sehr harten Elfmeter, den Romelu Lukaku sicher verwertete.
Lukaku hätte nach einem Drbbling von Doku und Pass von Kevin de Bruyne in der 62. Minute das 2:2 erzielen können. Doch seinen Schuss aus kurzer Distanz wehrte Verteidiger Leonardo Spinazzola, einer der besten Spieler der EM, wenn nicht sogar der beste, kurz vor der Linie ab. Die Italiener bejubelten diese Aktion fast mehr als ihre erzielten Tore. Im Finish wurde Spinazzola zur tragischen Figur, als er bei einem Sprint einknickte, auf der Tragbahre weggebracht werden musste. Es bestand Verdacht auf Achillessehnenriss, für ihn ist die Europameisterschaft vorbei. Sicher eine Schwächung für die nunmehr 32 Spiele lang unbesiegten Italiener. Nach 97 Minuten war alles vorbei, Mancini endlich die Revanche an Belgiens spanischem Teamchef Roberto Martinez gelungen: 2013 hatte Mancini als Favorit mit Manchester City das englischen Cupfinale gegen Martinez mit Außenseiter Wigan und dem Österreicher Paul Scharner 0:1 verloren, was ihn damals den Job gekostet hatte.
Dienstag kann sich in Wembley die Squadra Azzura im Semifinale an Spanien revanchieren. Für die 0:4-Demütigung im EM-Finale von Kiew vor neun Jahren. Alles spricht dafür, dass dies gelingt. Vor allem der unbändige Siegeswille, der Teamspirit.