Fußball

Nachhilfe vom Topreferee: Über Abseits, Hands, Dreifachbestrafung

Die Bundesliga ließ sich etwas Neues einfallen, bot den Medien eine Regelschulung an. Auch über die neuen Anweisungen, die vom 1882 gegründeten und für das Regelwerk  zuständigen International Football Association Board   kamen. Wobei es ganz  böse Zungen gibt, die behaupten, dass unter den acht Mitgliedern dieses Gremiums  noch immer welche sind, die schon  bei der Gründung vor 125 Jahren (!) dabei waren.  Fritz Stuchlik, der beim ÖFB angestellte Referee-Manager, auch bekannt dafür, in seiner aktiven Zeit als FIFA-Referee der Manchester United-Legende Ryan Giggs als einziger die gelb-rote Karte gezeigt zu haben, erklärte so manches,  Österreichs Topreferee Harald Lechner und sein Wiener Kollege  Julian Weinberger erläuterten alles an Hand  von Beispielen. Lechner, der auch dafür lebt, in den erlauchten Kreis der 28 europäischen Eliterefereess  beim obersten Schiedsrichterchef  der UEFA, Italiens ehemaliger Glatze Gnadenlos Pierluigi Collina, aufgenommen zu werden, gab dabei auch Einblicke ins Seelenleben eines Unparteiischen. Dass für ihn es  Leidenschaft und Berufung ist, Spiele zu leiten. Dass er zu seinen Fehlern steht, am Rasen aber gar keine Zeit hat, darüber nachzudenken, weil er pro Minuten zwischen drei und fünf Entscheidungen treffen muss. Etwas nicht zu pfeifen, ist auch eine Entscheidung.

Die Unparteiischen müssen heutzutage die Spielregeln in und auswendig kennen und fit genug sein, um auch unter Druck kühlen Kopf zu bewahren. Mittlerweile verzeichnen 76,7 Prozent der UEFA-Referess, zu denen in Österreich ausser Lechner noch Oliver Drachta, Markus Hameter, Alexander Harkam, Dominik Ouschan,Robert Schörgenhofer und Manuel Schüttengruber zählen, ohne zu den Elite-Referees zu gehören, die in d er Champions League, bei Welt-oder Europameisterschaften pfeifen, Ausdauerwerte von ausgezeichnet bis sehr gut, konstatierte der belgische Sportwissenschaftler Werner Helsen bei ihnen in den letzten vier Jahren einen Rückgang des Körperfettanteils von 16,7% auf 13,5 %. „Man muss täglich etwas tun“ weiß Lehner, „mitunter sogar zweimal täglich. Anders geht es nicht mehr.“ Da trifft es sich gut bei ihm, im Zivilberuf Marketing-Manager beim Fitness-Unternehmen John Harris zu sein.

„Nicht jeder Kontakt ist in einer Kontaktsportart wie Fußball ein Foul“ erklärte Lechner seine Philosophie. So eine profesionelle Vorbereitung wie für die Eliteschiedsrichter  bei der letzten Europameisterschaft mit einem Team von Spielanalysten, sprich Trainern mit UEFA-Lizenz, die Berichte zu den Mannschaften erstellten, deren Verhalten in bestimmten Situationen analysierten und demnach die Schiedsrichter instruierten, kann es in Österreich  nicht geben: „Aber selbst bei perfektester Vorbereitung können Fehler passieren“, ist Lechner überzeugt, glaubt auch, dass er die EURO-Werte zum Teil in Österreich übertrifft.  Da liefen die Referees pro Partie durchschnittlich 9,9 Kilometer, das Spitzentempo lag in Schnitt bei 24,6 km/h: „In Österreich renn´ich zwischen zehn und zwölf Kilometern pro Spiel“, versicherte Lechner, „bei internationalen Spieler ist der Aufwand geringer.“ Die Ursache erklärt er simpel und einleuchtend: „Auf internationalem Niveau ist die Ballkontrolle besser und präziser als in unserer Liga.“

Die Entscheidungen über Hands, Abseits, Torchancenverhinderung und Foulvergehen sind  die kniffligsten, wie Lechner und Weinberger an Hand von Videos erklärten. Strittige Entscheidungen zu studieren, zählt unter der Woche auch zu den „Hobbys“ eines gewissenhaften Schiedsrichters, Lechner hat dafür quasi sogar ein eigenes Studio eingerichtet. Um regeltechnisch zu analysieren, welches Foul nur fahrlässig war, damit nicht mit Gelb geahndet werden muss, welches rücksichtslos und daher gelbwürdig, welches gesundheitsgefährdend und ausschlussreif war. Auch die Elfersituationen sind heikler als je zuvor. Weil  die IFAB die Dreifachbestrafung abschaffte. Bisher waren zum Elfmeterpfiff die rote Karte und daher auch eine Sperre zwingend, jetzt ist auch Gelb möglich, wenn das Foul im Strafraum im Kampf um den Ball passierte, nicht beispielsweise durch Zurückhalten ohne Chance auf den Ball: „Wir sind natürlich auch dem Lehrsaal ausgeliefert.“ Selbst wie lange nachgespielt werden, wieviel für einen Austausch oder andere Unterbrechungen eingerechnet werden muss, ist inzwischen genau reglementiert. Mitunter muss der  vierte Referee am Spielfeldrand fast zusätzlich die Funktion eines Buchhalters übernehmen, um alles im Griff zu haben: „Leider wird alles komplizierter“, bedauerte Lechner. Aber die Leidenschaft, Spiele zu pfeifen, darf darunter nicht leiden.

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