Michael Gregoritsch erlebte Sonntag Abend beim Hamburger SV eine Weihnachtsfeier der ungewöhnlichen Art: Kurz nach 20 Uhr begrüßte Dietmar Beiersdorfer in einem vornehmen Sushi-Restaurant am Hafen als Vorstandschef Spieler, Mitarbeiter und Gäste, nicht einmal eineinhalb Stunden später gab das Gründungsmitglied der Bundesliga die Trennung von Beiersdorfer bekannt. Wenn das in Österreich passiert, wären Hohn und Spott grenzenlos. Und in Deutschland? Angeblich soll Beiersdorfer schon über eine Woche zuvor, bereits vor Hamburgs ersten Saisonsieg in Darmstadt, von seiner bevorstehenden Beurlaubung gewusst haben. Beiersdorfer, ein Freund von Andreas Herzog seit gemeinsamen Spielerzeiten bei Werder Bremen. Zuvor hatte er auch in Hamburg in Ernst Happels Ära im Abwehrzentrum gespielt. Von 2002-2009 war Beiersdorfer erfolgreicher Sportchef des Hamburger SV, wechselte dann nach Salzburg, wurde Red-Bull-Fußballchef, zuständig für Salzburg, Leipzig und New York. Zwei Jahre später musste er mit dem von ihm geholten Salzburg-Trainer Huub Stevens gehen. Nächste Station Zenit St. Petersburg, 2014 Rückkehr nach Hamburg. Diesmal sogar Vorstandschef. Seit damals kaufte er Spieler um 87,6 Millionen Euro, ohne dass es entscheidend aufwärts ging. Acht Punkte aus den letzten vier Spielen konnten ihn nach dem Katastrophenstart (zwei Punkte in zehn Runden) nicht mehr retten.
Das Erdbeben in Hamburg könnte bald auch in Hütteldorf zu spüren sein. Warum? Wegen der Person des Beiersdorfer-Nachfolgers: Heribert Bruchhagen, zuletzt bei „Sky“ am Samstag Abend mit Lothar Matthäus Kommentator beim Schlager der Runde. Zuvor war er 13 Jahren Vorstandschef bei Eintracht Frankfurt. Mit dem Abschied im Juni wollte der 73jährige seine Funktionärskarriere eigentlich beenden. Es kam anders. Den „Sky“-Vertrag hat Bruchhagen bereits gekündigt, Mittwoch beginnt er beim Hamburger SV. Mit einem Vertrag bis 2019, der ihm alle Macht sichert, einem Jahresgehalt von 1,5 Millionen Euro. Bruchhagen wird einen Sportchef mitbringen, den Beiersdorfer zuletzt wochenlang suchte, aber nicht fand. Bruchhagen hatte in Hamburg bereits von 1992 bis 1995 als Manager gearbeitet.Was das alles mit Rapid zu tun hat? Bruchhagen hat auch eine Schalke-Vergangenheit. Von 1988 bis 1992 als Manager. Einer der ersten Spieler, den er damals nach Gelsenkirchen holte, hieß Andreas Müller.
Dass Bruchhagen von Müller auch als Sportchef eine hohe Meinung hat, die Kontakte zwischen beiden nie abrissen, gilt in Deutschland ein offenes Geheimnis. Daher gilt Müller in deutschen Medien als heißer Tipp, unter Bruchhagen als Sportchef um den Klassenerhalt des Hamburger SV zu kämpfen. Der zweite heißt Horst Heldt, war bis Juni Sportchef bei Schalke. Rapids hätte nichts dagegen, dass sein ehemaliger Sportvorstand Müller sein Büro fünf Wochen nach dem Aus in Hütteldorf am 7. November in Hamburg eröffnet. Ganz im Gegenteil. Dann könnte sich Rapid einiges Geld ersparen. Normal müßte Rapid Müller bis Vertragsende 2019 bezahlen. Präsident Michael Krammer hätte garantiert nichts dagegen, in den nächsten Tagen mit Müller die Vertragsauflösung verhandeln zu können. Kurz nach der Bestellung eines Nachfolgers Fredy Bickel. Ganz im Gegenteil.