Fußball

Teurer kann man sich nicht verkaufen: Italien hatte den geschickteren Teamchef

26 Minuten vor Mitternacht war Samstag Österreichs EM-Traum in Wembley vorbei. Da stand das 1:2 (0:2, 0:0) gegen Italien nach Verlängerung fest und damit das Ausscheiden im Achtelfinale. Nach einer Leistung, die viel, viel Respekt verdient. „Teurer kann man sich nicht verkaufen“, lobten die deutschen Weltmeister von 2014, Per Mertesacker und Christoph Kramer, im ZDF-Sportstudio. Dem ist nichts hinzuzufügen. Vor der Pause gehörte Glück dazu, um bei einem Lattenschuss von Ciro Immobile, nicht in Rückstand zu geraten. Aber in der zweiten Hälfte sorgte die Österreicher für immer mehr Unsicherheit und Nervosität bei den in den Gruppenspielen so souveränen Italienern. Immerhin erzielte  Österreich als erste Mannschaft gegen Italien nach 1169 Minuten ein Tor erzielte. Aber auch das bleibt nur ein ganz schwacher Trost.

Eigentlich war das schon 81 Minuten zuvor gelungen. Flanke von Stefan Lainer, David Alaba setzte sich im Kopfballduell durch,r verlängerte zum langen Eck, wo Marko Arnautovic den Ball per Kopf an Tormann Gianluigi Donnarumma vorbei brachte, danach etwas aufreizend und provokant jubelte, ehe die Österreicher die Realität des Videoreferees einholte. Der überprüfte in Nyon am Genfer See minutenlang, ehe feststand: Das Tor zählte nicht, weil Arnautovic mit einem Fuß im Abseits stand. Lainer war im Finish nur mit dem  Knie im Abseits,  als ihn Matteo Pessina im Strafraum mit einer Attacke an einem Kopfball hinderte, für die es einen Elfmeter hätte geben müssen.

Mit dem Brüller „wir sind so stark, ich hab´s euch gesagt“ schickte Teamchef Franco Foda sein Team zur Verlängerung wieder auf den Rasen. War er es in Österreichs erstem k.o.-Spiel seit dem WM-Semifinale 1954 auch? „Ich habe nach einer Niederlage noch nie so viele Komplimente bekommen“, behauptete er nachher. Für Österreichs Auftreten in den vier Spielen sind die insgesamt richtig. Aber in Wembley hatte Italien den geschickteren Teamchef, der auch mehr Mut zeigte. Das könnte entscheidend gewesen sein. Denn Roberto Mancini begann bereits nach 67 Minuten zu wechseln, Foda erst in der 90. Minute, als der von Krämpfen geplagte Christoph Baumgartner nicht mehr weiter konnte.  Unter dem Aspekt, dass Italien vor dem Achtelfinale einen Tag mehr Pause hatte, im letzten Gruppenspiel am vergangenen Sonntag acht Stammspieler schonte, war das überhaupt nicht nach vollziehbar. Ebenso war unübersehbar, dass im Finish der regulären Spielzeit nicht nur Arnautovic schon am Zahnfleisch lief. Foda reagierte darauf nicht, brachte keine frischen Kräfte. Darum stimmte sein Satz, dass die Kritiker nach dieser Leistung einige Wochen ruhig sein müssten, nur bedingt.

Mancini brachte nach 67 Minuten Manuel Locatelli und Pessina für Marco Verratti und Nicola Barella. Nach 84 Minuten kamen Federico Chiesa und Mittelstürmer Andrea Berlotti für Domenico Berardi und Immobile. Der Erfolg? Joker Chiesa erzielte nach 95 Minuten Italiens Führung, als er einen Stellungsfehler von Konrad Laimer nutzte. Kurz darauf wechselte Foda Sasa Kalajdzic für Arnautovic ein. Italien kam vor der Pause der Verlängerung zum zweien Jokertor durch Pessina. Mit dem 100. Treffer dieser Europameisterschaft war die Partie praktisch entschieden. Erst zur zweiten Hälfte der Verlängerung schickte der Teamchef mit Louis Schaub und Michael Gregoritsch neue Offensivkräfte auf den Rasen. Von denen sich Schaub gleich mit einem Schuss, der  Donnarumma zu einer Glanzparade zwang, bemerkbar machte. Österreich gab nie auf, was bewundernswert war. Sabitzer vergab eine Chance nicht, Kalajdzic erzielte nach 144 Minuten nach Eckball  von Schaub zum kurzen Eck sein erstes EM-Tor (Bild oben).  Wie Kalajdzic im Fallen den Ball per Kopf ins kurze Eck brachte, war fast ein Kunstwerk. „So tief war ich noch nie unten“, bemerkte er nachher, sprach von einem der grausamsten Abende in Österreichs Fußballgeschichte: „Wir haben es nicht verdient, auszuscheiden!“

Foda entschloss sich bereits vor dem Kaladjzic-Tor zum fünften und sechsten Wechsel mit Stefan Ilsanker und Christopher Trimmel, aber das änderte nicht mehr. kam zu spät. Schade drum. Von Mancinis Kompliment nach dem ersten EM-Spiel, in dem nur Wechselspieler die Tore erzielten, das Viertelfinale gegen Belgien oder Portugal werde sicher nicht so schwer wie das Achtelfinale gegen Österreich, kann man sich nichts kaufen. Im September geht es mit der WM-Qualifikation weiter. Dänemark, die klare Nummer eins in der Österreich-Gruppe, schaffte vor Italien als erste Mannschaft den Sprung ins Viertelfinale.  Ganz klar mit  4:0 (1:0)  gegen Wales in Amsterdam. Bis zur 88. Minute stand es 2:0. Mann des Spiels war Dänen-Stürmer Kasper Dolberg. Der Legionär von OGC Nizza, durch die Verletzung von Yusuf Poulsen in die Startelf gekommen, sorgte mit einem Doppelpack für die 2:0-Führung. Eigentlich kein Wunder, denn er muss sich in der Johan Cruyff-Arena wohlfühlen: Dolberg spielte früher bei Ajax Amsterdam.

5

Meist gelesen

Nach oben