Dienstag meinte Ligavorstand Christian Ebenbauer, als er die Bilanz der Saison zog, dass die geforderte Professionalisierung im Schiedsrichterbereich auf einem guten Weg sei. Da wusste er schon, was zwei Tage später passieren wird: Der ÖFB bejubelte einen Top-Transfer und meinte damit die „Verpflichtung“ des ehemaligen internationalen ungarischen Spitzenreferees Viktor Kassai als „Technical Director“, der sein Know-How an die österreichischen Unparteiischen weitergehen soll. Der 47 jährige, der vor vier Jahren seine aktive Karriere beendete, bekam den Vorzug gegenüber internationalen und nationalen Kandidaten. Kassai bringt einen Landsmann mit: Sein langjähriger Assistent an der Linie, György Ring, übernimmt die Position des VAR-Managers. Die Tätigkeit der Schiedsrichterkommission unter Leistung von Wiens Verbandspräsident Robert Sedlacek, bleibt unverändert, erfolgt künftig in Abstimmung mit Kassai, der Deutsch spricht.
Kassais Visitenkarte liest sich gut: Er leitete 2011 in Wembley das Champions League Finale zwischen Barcelona und Manchester United, ebenso drei Jahre zuvor das Endspiel der Olympischen Spiele in Peking, war bei den Europameisterschaften 2008, 2012 und 2016 im Einsatz ,2010 bei der WM in Südafrika. In den letzten Jahren war er Beobachter und Berater für die UEFA, auch für Bulgariens Verband tätig. Kassai hat zwar sicher ein großes internationales Netzwerk, ein gutes Standing bei UEFA-Schiedsrichterchef Roberto Rossetti – aber wird das Österreichs Schiedsrichter automatisch besser machen, sie vor Fehlern, die für viel Gesprächsstoff sorgen, bewahren?
Für die war nämlich auch Kassai bekannt. Nichts außergewöhnliches, denn er ist ja auch ein Mensch. Betroffen war davon zweimal Österreichs Teamkapitön David Alaba in seiner Bayern-Zeit: Im Champions League-Semifinale 2012 gegen Real Madrid versuchte er einen Schuss von Cristiano Ronaldo zu blocken, der Ball ging an Alabas Hand. Damals galt noch die „alte“ Handsregel. Kassai pfiff Elfmeter und zeigte Alaba dazu die gelbe Karte. Nach fünf Minuten. Bayern stieg zwar im Elfmeterschießen auf (Alaba verwandelte den ersten), aber die gelbe Karte sorgte dafür, dass er im „Finale dahoam“ gesperrt war, nur Qualen auf der Tribüne der Allianz-Arena litt. Weil Bayern im Elfmeterschießen gegen Chelsea verlor.
Im Sommer 2012 später wurde Kassai von der Europameisterschaft heimgeschickt. Weil er beim Gruppenspiel England-Ukraine (1:0) ein klares Tor der Ukrainer, als der Ball bereits die Torlinie überschritten hatte, nicht erkannte. Deshalb gab es damals heftige Diskussionen über technische Hilfe für die Schiedsrichter, die Jahre später beschlossen wurde. 2017 war Kassai der erklärte Buhmann von Bayern und damit auch von Alaba: Damals zeigte er wieder gegen Real Madrid im Bernabeu-Stadion, diesmal im Viertelfinale, Arturo Vidal zweimal gelb und damit rot, Bayern schied nach Verlängerung aus. Machte dafür den Ungarn verantwortlich.
Foto: UEFA.