Seit gestern hat Rapid einen neuen, zugleich altbekannten Trainingsgast. Max Wöber kehrte vorübergehend nach Hütteldorf zurück. Dabei geht es um die Unter 21-EM im Juni, bei der er liebend gerne dabei sein würde. Es könnte sich nach der Knieoperation im April zwar ausgehen, aber ihn begleiteten nach dem Saisonende in Spanien auch Stimmen nach Wien, die ihn warnten, Österreichs Teamdress gegen Serbien, Dänemark und Italien in Triest und Udine zu tragen. Also muss er eine Entscheidung zwischen Herz und Vernunft treffen. Könnte so aussehen, dass die Vernunft siegen muss.
Beim 1:0 in Barcelona gegen Espanyol absolvierte Wöber am 17.März sein letztes Spiel im roten Sevilla-Dress ohne Zwischenfälle (Bild oben). Zwei Wochen später spielte er bei der 0:1-Heimniederlage gegen Valencia zwar ebenfalls durch, aber da verletzt er sich am rechten Knie. Meniskusriss hieß die Diagnose, eine Operation bei Spezialist Mikel Sanchez in Vitoria bei Bilbao folgte. In sechs Wochen könnte er wieder ins Training einsteigen, hieß es damals. Die sechs Wochen sind vorbei, Wöber trainiert wieder, sagt: „Alles in Ordnung“. Aber er bekam die Warnungen von Sanchez und Sevillas Klubarzt mit in den offiziellen Urlaub nach dem Saisonende in Spanien. Die wollen, dass er wirklich Urlaub macht, nicht bei der Europameisterschaft spielt. Weil er für längere Zeit ausfallen würde, sollte mit dem rechten Knie in Italien irgendetwas passieren. Zwischen fit, um zu trainieren und matchfit, gibt es eben doch Unterschiede. Und zwar kein geringen.
Wöber trainiert bei Rapid mit, um zu sehen, ob er dabei solche Fortschritte macht, dass vielleicht doch sein Herz siegen könnte. Aber die Vernunft muss für den 21jährigen im Vordergrund stehen. Und das sind die Interessen seines Arbeitgebers: FC Sevilla zahlte für ihn im Jänner an Ajax Amsterdam 10,5 Millionen Euro, gab ihm einen Vierjahresvertrag bis 2023. Würde sehr verärgert sein, sollte er als Verletzter von der Europameisterschaft zurückkehren. Das alles muss Wöber einkalkulieren, wenn es demnächst bei einem Gespräch mit U 21-Teamchef Werner Gregoritsch darum geht, ob er am 2.Juni die EM-Vorbereitung im Avita-Hotel von Bad Tatzmannsdorf mitmacht oder nicht.
Sevilla beendete die Saison auf Platz sechs, spielt nächste Saison mit Salzburg-Torjäger Munas Dabbur in der Europa League. Als Sportchef amtiert seit einem Monat wieder wie schon zwischen 2000 und 2017 der legendäre Monchi, der mit richtigem Namen Rodriguez Verdejo heißt, in seiner aktiven Zeit Sevillas Ersatztorhüter war. Monchi beendete im Frühjahr nach eineinhalb Jahren seinen Job bei AS Roma, weil Trainer Eusebio di Francesco gegen seinen Willen gehen musste. Der dürfte jetzt Monchi nach Sevilla folgen, auf Joaquin Caparros folgen, der an Blutkrebs erkrankt ist. Monchi wird in Spanien wegen seines guten Händchens bei Transfers der „Messi im Büro“ genannt. Auch er will, dass sich Wöber darauf konzentriert, topfit mit Sevilla in die Vorbereitung zu gehen, würde es gerne sehen, dass er auf die U 21-Europameisterschaft verzichtet.
Besser sieht es hingegen zur Erleichterung von Gregoritsch bei Österreichs Kapitän Philipp Lienhart aus. Die Langzeitfolgen der im März erlittenen Gehirnerschütterung sind vorbei, er trainierte bei Freiburg bereits wieder mit, sass im letzten Spiel auf der Bank. Deutschland hat schon sein EM-Aufgebot nominiert. Teamchef Stefan Kuntz, der Sohn des Austria-Legionärs aus den 60er-Jahren, hat mit Leverkusens Innenverteidiger Jonathan Tah und Leipzig-Verteidiger Lukas Klostermann zwei Spieler dabei, die auch im deutschen Teamkader von Jogi Löw für die EM-Qualifikation stehen. Fünf, die bei Löw sind und bei der U 21 noch spielberechtigt wären, die Schlagkraft entscheidend vergrößern würden, sind hingegen kein Thema: Flügelflitzer Leroy Sane von Manchester City, dem ersten Gewinner des englischen Tripels aus Premier League, FA-Cup und League-Cup, Leverkusens Kreativspieler Kai Havertz und Julian Brandt, der um 25 Millionen Euro zu Borussia Dortmund wechselt, Leipzig-Torjäger Timo Werner und Paris St.Germain-Legionär Thilo Kehrer.