Fußball

144 Millionen Russen wollen „Stani“ jubeln sehen

Vor zwei Wochen hätte Stanislaw Tschertschessow nie daran zu denken gewagt, mit Russland länger bei der  Weltmeisterschaft zu sein als sein Ex-Trainer beim FC Tirol, Jogi Löw, mit Weltmeister Deutschland. Sonntag ist es aber so weit: „Stani“ mit dem Russen im Achtelfinale gegen Favorit Spanien im Luschniki-Stadion von Moskau vor 80.000 Zuschauern, Löw daheim in Deutschland mit dem Aufarbeiten der historischen Blamage beschäftigt.  Unfassbar. 144 Millionen Einwohner hat das WM-Veranstalterland. 144 Millioenn Russen  wollen ihren Teamchef beim ersten WM-Achtelfinalspiel Russlands wieder so jubeln sehen wie bei den zwei Vorrundensiegen gegen Saudiarabien und Ägypten (Bild oben). Stanislaw Salamowitsch Tschertschessow, wie er mit vollem Namen heißt, kann zwar nichts versprechen, hat aber einiges vor: „Wir werden sich mehr laufen als die Spanier!“

Auch in den aufreibenden WM-Tagen ist er jederzeit für einen lockeren Spruch gut. Als er darauf angesprochen wurde, warum er bei fast 30 Grad eine Trainingsjacke trug, kam als prompte Antwort: „Meine Jacke ist so schön, ich möchte sie den Leuten zeigen und damit angeben“. Er muss auf den Teamgeist setzen, den er beim WM-Camp im  Tiroler Stubaiital schuf. Einer, der „Stani“ kennt, sparte in der deutschen ARD  nicht mit Anerkennung für Tschertschessow. Nämlich der frühere deutsche Teamstürmer Kevin Kuranyi, der unter ihm bei Dynamo Moskau gespielt hatte: „Er ist einer, der Dinge klar anspricht, nicht herumeiert, ehrlich seine Meinung sagt. Er hat einen klaren, strukturierten Plan, so etwas schätzen die Spieler.“ Von „Fußball-Atheismus“ wie vor der Weltmeisterschaft ist in den russischen Medien inzwischen keine Rede mehr. Im privaten Sender Match-TV warnte schon der ehemalige Austria-Legionär Rashid Rachimow: „Nur nicht russisches Roulette spielen“. Damit meinte er, nicht zu viel Risiko nehmen. Die Gefahr ist aber bei „Stani“, der zum Unterschied vom 0:3 gegen Uruguay wieder seine stärkste Formation mit  Mittelfeldstar Aleksandr Golovkin aufbieten kann, nicht gegeben.

Was den russischen Fans noch Hoffnung macht: Im November gab es in einem Vorbereitungsspiel gegen Spanien in St. Petersburg ein 3:3, bei dem es gelang, ein 1:3 aufzuholen. Und die Spanier wirkten bei ihren Gruppenspielen gegen Portugal,  Iran und Marokko nicht unbedingt überzeugend:  Andres Iniesta und David Silva, der Star von Engalnds Meister Manchester City, sind nicht in Topform, haben noch Luft nach oben, das Abwehrzentrum mit Sergio Ramos und Gerard Pique zeigte ungewohnte Schwächen, Tormann David de Gea wirkte auch noch nicht überzeugend. Da könnte etwas gehen.

Überzeugend wirkten hingegen die Kroaten bei ihren Siegen gegen Nigeria, Argentinien und Island, bei dem praktisch nur ein B-Team spielte.  Die kroatischen Fans, egal ob in Russland, in der Heimat oder auch in Österreich sind davon überzeugt: Achtelfinalgegner Dänemark mit dem Ex-Austriner Jens Stryger Larsen als linken Verteidiger  wird Sonntag Abend in Nischni Nowgorod seine erste Niederlage nach 18 Spielen beziehen. Auch Leicersters Keeper Kaspar Schmeichel, der Sohn der Tormannlegende, wird das mit seinen starken Reaktionen nicht verhindern können. Die größten Sorgen macht den Fans, dass Leistungsträger wie Kapitän Luka Modric,Ivan Rakitic oder Mario Mandzukic mit einer gelben Karte vorbelastet sind. In der Wiener Ottakringerstraße wird es bei der TV-Übertragung sicher wieder hoch hergehen. Aber anders als bei den Spielen von Serbien gab es bei denen von Kroatien bisher keine Skandalszenen danach, die ein Einschreiten der Polizei erforderlich machten.

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