Das Pizjuan-Stadion von Sevilla bestätigte sich als Ort von geschichtsträchtigen Elfmeterschießen. 1982 im WM-Semifinale zwischen Deutschland und Frankreich mit einem Happy End für Deutschland (5:4) Vier Jahre später im Europacup der Meister, als Steaua Bukarest nach torlosen 120Minuten den FC Barcelona 2:0 bezwang, weil Tormann Helmuth Duckadam vier Elfmeter hielt. Und Mittwoch Abend beim Europa League-Endspiel zwischen Eintracht Frankfurt und den Glasgow Rangers. Nach 90 und 120 Minuten 1:1, im Elfmeterschießen 5:4 für die Eintracht. Damit ist Oliver Glasner nach 43 Jahren der zweite österreichische Trainer seit Ernst Happel, der ein internationalen Endspiel gewann, spielt nächste Saison mit Eintracht in der Champions League: „Die Anspannung war riesig, jetzt bin ich leer“, gestand er mitten im Jubel, als der Queen-Hit „we are the champions“ aus den Lautsprechern plärrte, die Eintracht Fans mitsangen, „wir sind die glücklichen Sieger, die Jungs haben die Nerven behalten!“
31 Grad in Sevilla, da lief auch Glasner in seiner Coaching Zone einige Male heiß. Nicht nur bei temperamentvollen Anweisungen an seine Spieler, sondern auch mit verbalen Duellen mit dem vierten Referee, dem Serben Srdjan Jovanovic, wenn er mit den Entscheidungen des slowenischen Schiedsrichter Slavko Vincic nicht einverstanden war. Auf den Rängen waren die Rangers-Fans, rund 25.000, in der Überzahl, aber die 17.000 aus Frankfurt sangen meist lauter. Die weiße Wand hatten öfters die „Lärmhoheit“ als das „blaue Meer“. Vor dem Stadion gab es Public Viewing auf zwei riesigen Vidiwalls für die Fans aus Schottland und Deutschland, in Frankfurt war das Waldstadion ausverkauft. Dort herrschte am Ende Ausnahmezustand.
Die Frankfurter Spiele am Weg ins Finale waren mitreißender als das Endspiel. In dem bald viel Blut floss, als Rangers-Mittelfeldspieler John Lundstrom nach fünf Minuten Eintracht-Kapitän Sebastian Rode am Kopf traf. Der musste minutenlang behandelt werden, ehe er mit Kopfverband und einem neuen Dress weiterspielen konnte. Zur Pause bekrittelte ServusTV-Experte Sebastian Prödl den fehlenden Mut zum Risiko bei beiden Finalisten. Nach 57 Minuten bestand bei Eintracht Handlungsbedarf, weil eine Art „Slapstick-Tor“ Schottlands Vizemeister in Führung brachte. Der Schweizer Djibril Sow köpfelte den Ball zurück in Richtung von Tormann Kevin Trapp, was nicht gut gelang. Der Brasilianer Tuta fiel beim Versuch, einzugreifen, über die eigenen Füße, womit Joe Aribo freie Bahn hatte, Das nützte der 25 jähriger Legionär aus Nigeria zu seinem Europa League-Tor. 12 Minuten später machte Glasner die Jubel-Säge. Nach einer Hereingabe von Filip Kostic bezwang der Kolumbianer Rafael Borre, der zwischen den Innenverteidigern Connor Goldson und Calvin Bassey an den Ball kam, den 40 jährigen Rangers Tormann Allan McGregor. Danach tat sich wenig. Daher Nachspiel, in dem die Rangers dem Sieg näher waren, aber kein Tor fiel. Wegen einer Superreaktion von Trapp nach 118 Minuten.
Daher begann 13 Minuten vor Mitternacht das Elfmeterschießen vor dem blauen Rangers-Sektor. Acht Minuten später jubelten die Eintracht Fans. Alle fünf Frankfurt-Schützen trafen. Drei Linksfüßer. Zunächst die nach 100 und 106 Minuten eingewechselten Joker Christoph Lenz und Adjun Hrstic, ein Australier. Dann mit rechts der Japaner Daichi Kamada. Den vierten Elfmeter der Rangers vergab der walisische Teamspieler, Aaron Ramsey, eine Juventus-Leihgabe. Der Routinier kam erst nach 117 Minuten, extra für das Elfmeterschießen. Trapp wehrte mit dem linken Fuß ab. Danach traf Filip Kostic mit links, Kemar Roofe glich zum 4:4 aus. Aber Borre behielt die Nerven, bezwang McGregor zum zweiten Mal. Damit war der zweite internationale Titel von Eintracht, der erste seit 1980, perfekt. Erstmals gewann ein deutscher Klub die Europa League.
So temperamentvoll Glasner während des Spiels agierte, so ruhig blieb er, als der größte Triumph seiner Fußballkarriere feststand. Seine Co-Trainer und Freunde, Ronnie Brunmayr und Michael Angerschmid, umarmten ihn, Händeschütteln mit dem verletzten Martin Hinteregger, der vor dem Elfmeterschießen seinen Mitspielern Mut gemacht hatte. Dann ging Glasner zum Kollegen Giovanni van Bronkhorst, um ihn zu trösten. Die Siegerehrung begann erst Donnerstag, neun Minuten nach Mitternacht. Am Weg dorthin machte Glasner im Spalier seiner Spieler so wie in Nou Camp von Barcelona den berühmten Glasner-Bauchfleck. Das sind Stunden und Tage, die Glasner nie vergessen wird. Auch Hinteregger und Stefan Ilsanker bekamen ihre Medaille als Europa League-Sieger. Ilsanker an seinem 33. Geburtstag für zwei Einsätze in der Gruppenphase. Donnerstag Nachmittag werden Deutschlands neue Helden nach der Ankunft direkt vom Flughafen im Triumphzug mit offenen Kabrios zum Rathaus gefahren. Auch das wird ein Supererlebnis Ebenso im August das Spiel um den europäischen Supercup gegen den Sieger aus Liverpool gegen Real Madrid.
Foto: UEFA.