Erstmals seit 1972 gewann Österreich ein Qualifikations-Heimspiel gegen Schweden 2:0 (0:0). Damals sorgte Teamchef Leopold Stastny mit einem Austausch nach bereits 27 Minuten für Gesprächsstoff: Gustl Starek ersetzte Buffy Ettmayer, brachte Schwung und Linie ins österreichische Spiel. Die Tore durch Thomas Parits und Peter Pumm fielen nach 65 und 83 Minuten. Dienstag fielen die Treffer, nach denen 46.300 Zuschauer das ausverkaufte Happel-Stadion in ein Tollhaus verwandelten, erst in der 81. und 89. Minute. Vielleicht auch deshalb, weil Teamchef Ralf Rangnick einen eintauschte, bei dem man streiten konnte, ob er es verdiente, im Kader zu sein. Und weil er einen nicht austauschte, dem wenig gelang. Gemeint ist Christoph Baumgartner, dem in seinem 29. Länderspiel für Österreich sein erster Doppelpack gelang, seine Tore neun und zehn im Teamdress. Das 1:0 nach einem nur kurz abgewehrten Schuss von Joker Florian Grillitsch (Bild), der in der letzten Saison bei Ajax Amsterdam kaum zum Einsatz gekommen war.
Rangnick tauschte Baumgartner erst knapp vor dem Schlusspfiff aus. Eine schöne und auch richtige Geste, damit der sympathische Niederösterreicher die Standing Ovations der begeisterten Fans genießen konnte. Aber die trübten bei Baumgartner, von dem seit Monaten in regelmäßigen Abständen Medien vermelden, dass sein Wechsel von Hoffenheim zu RB Leipzig um 25 Millionen Euro Ablöse oder etwas mehr praktisch fix ist, nicht den Blick für die Realität: „Es war nicht unser bestes Spiel, aber wir haben gewonnen. Das spricht für unsere Qualität!“ Und er wusste auch, dass er mehr kann, als er zeigte, vor allem in Ballbesitz: „Da kann und muss ich kreativer sein!“
Ende gut, alles gut. Aber es gab auch andere, die Sanding Ovations verdienten. Etwa Torhüter Alexander Schlager und Xaver Schlager, der überragende Mittelfeldmotor bis ihm die Kräfte in seinem zweien Spielvon Beginn an nach drei Monaten Pause etwas verließen. Hätte Alexander Schlager in der 10. Minute einen Kopfball von Schwedens Kapitän Viktor Lindelöf nach einem Eckball nicht fast mirakolös gehalten, wäre es für Österreich noch schwerer geworden. Schwer machte es Schwedens Keeper Robin Olsen, bei Aston Villa die Nummer zwei hinter Argentiniens Weltmeistertormann Emiliano Martinez. In den letzten Minute der ersten Hälfte verhinderte er Österreichs Führung, ebenso zu Beginn der zweiten. Nach 60 Minuten brachte Rangnick Marcel Sabitzer für den ausgepowerten Patrick Wimmer. Da musste man sich fragen, ob vier zentrale Mittelfeldspieler (Baumgartner, Sabitzer, der herausragende Xaver Schlager und Nicolas Seiwald) das richtige Rezept gegen Schwedens Abwehrmauer waren, warum nicht Florian Kainz für Baumgartner kam. Es musste Grillitsch, der in den 25 Minuten, in denen er statt Xaver Schlager spielte, praktisch alles richtig machte, her, um den Bann zu brechen: Seinen Volleyschuss aus 17 Metern konnte Olsen nur kurz nach vorne abwehren, Baumgartner setzte entschlossen nach. Erlöste Fußball-Österreich. Traf auch acht Minuten später nach einem Konter, den ein Ballgewinn von Sabitzer möglich machte. Der Pass Baumgartners zu Michael Gregoritsch war nicht ideal, aber trotzdem fiel das 2:0. Olsen wehrte den Gregoritsch-Schuss ab, Baumgartner stand richtig, köpfte das 2:0. Er stand dort, wo ein Torjäger stehen muss. Ein Sieger des Abends war auch Spielerberater Thomas Böhm. Baumgartner und Grillitsch zählen zu seinen Klienten.
Vor 50 Jahren reichte es trotz 2:0 gegen Schweden nicht für das Ticket für die WM 1974. Wegen zwei Niederlagen gegen Schweden.2:3 in Göteborg und 1:2 im Entscheidungsspiel auf neutralem Boden in Gelsenkirchen. Eigentlich nicht vorstellbar, dass so etwas mit dieser Mannschaft erneut passieren kann. Auch wenn Rangnick auf die Euphoriebremse trat. Belgien gewann trotz des „Krachs“ zwischen Weltklassegoalie Thibaut Courtois, der gegen Estland fehlte, und Teamchef Domenico Tedesco, in Tallinn glatt 3:0 (2:0). Mit einem Doppelpack von Romelu Lukaku und einem späten Tor von Joker Johan Bakayoko. Eines kann man schon vier Monate davor prophezeien: Auch Österreichs Heimspiel gegen Belgien im Oktober wird ausverkauft sein. In Österreich ist alles eitel Wonne, bei EM-Veranstalter Deutschland nach der 0:2 (0:0)-Heimpleite gegen Kolumbien in Gelsenkirchen hingegen Feuer am Dach. Die Zweifel an Teamchef Hansi Flick steigen. Die Schlagzeile in „Bild“ heißt „Hilfe, Flick macht uns die EM kaputt!“ Fehlt nur noch, dass Rufe nach Rangnick ertönen.
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