Frankreichs Meister Paris St. Germain verlor am Sonntag erstmals seit 20. März 2022 in der Ligue 1. Damit brachten sich die Sieger in die Schlagzeilen: Wie kann Lens, eine Mannschaft mit einem Marktwert von 153,95 Millionen, aus einer Industriestadt mit 32.000 Einwohner, 200 Kilometer nördlich von Paris. es schaffen, zum dritten Mal hintereinander gegen die von Katar finanzierte Startruppe mit einem Marktwert von 914, 55 Millionen Euro, nicht zu verlieren? Auf zwei 1:1 in der letzten Saison folgte der umjubelte 3:1-Heimsieg gegen eine Mannschaft, die trotz des Fehlens von Lionel Messi und Neymar klingende Namen von Kylian Mbappe, die Europameister Marco Verratti und Gianluigi Dónnarumma, den Marokkaner Achraf Hakimi, den Brasilianer Marquinhos und Sergio Ramos aufbot? Der spanische Abwehrchef sah im Vergleich zu dem von Lens, zu Kevin Danso, mitunter wirklich zwölf Jahre älter aus. Der 24 jährige Österreicher wurde zum Spieler des Abends gewählt.
Danso ist nicht der einzige in der Erfolgsbesetzung von Lens, der von seinen vorigen Klubs „übersehen“ oder unterschätzt wurde. 2019 wechselte er nach der U 21-Europameisterschaft in Italien, bei der er aus einem Elfmeter Österreichs Tor zum 1:1 gegen Deutschland erzielt hatte, auf Leihbasis von Augsburg zu Southampton. Die Leihgebühr war mit vier Millionen Euro nicht gerade gering, aber er kam nur zu sechs Einsätzen in der Premier League. Ralph Hasenhüttl versuchte ihn als Rechtsverteidiger, traute ihm die Rolle im Abwehrzentrum nicht zu. Daher war von einem endgültigen Wechsel auf die Insel bald nicht mehr die Rede. Zurück nach Augsburg, dann für 500.000 Euro in die zweite Liga an Fortuna Düsseldorf verliehen. Dort fiel er mit starken Leistungen auf, Augsburg beorderte ihn zurück, versprach, auf ihn zu setzen. Danso merkte in der Vorbereitung, dass Trainer Markus Weinzierl anderes im Sinn hatte, daher „streikte“ er, erzwang seinen Wechsel. Der Sportchef von Lens, Florent Ghisolfi, fand die richtigen Worte, war bereit, für ihn 5,5 Millionen Ablöse zu bezahlen. Danso spürte Vertrauen, wechselte. Die Entwicklung gab ihm schon vor den Jubelszenen am ersten Tag des neuen Jahres (Bild oben) recht.
Kapitän Seko Fofana, sozusagen der Leitwolf der Mannschaft, scheiterte bei Manchester City, fiel in vier Jahren bei Udinese nicht sonderlich auf, Ghisolfi engagierte ihn. Jetzt ist Fofana der Spieler mit dem höchsten Marktwert (30 Millionen). Der von Danso liegt bereits bei 14. Der schnelle belgische Stürmer Lois Openda kam im Sommer aus Holland von Vitesse Arnheim, gehörte dem FC Brügge, der den 22 jährigen für nicht gut genug hielt. Dem aus dem Kongo stammenden Tormann Brice Samba traute Englands Aufsteiger Nottingham nicht zu, in der Premier League zu spielen. Den polnischen Linksfuß Prezmysl Frankowski entdeckte Ghisolfi in der Major League Soccer bei Chicago Fire. Fast unglaublich, dass es so gelang, aus Lens in der dritten Saison nach dem Aufstieg eine Spitzenmannschaft zu formen.
Danso-Entdecker Ghisolfi ist seit Oktober nicht mehr bei Lens. Wurde vom finanzstarken OGC Nizza abgeworben. Jetzt hat der 51 jährige Franck Haise eine Doppelfunktion, Trainer und Sportchef, und einen Vertrag bis 2027. Auch Haise wurde lange „übersehen“. War mehr als zweieinhalb Jahre lang Trainer der zweiten Mannschaft. Im Februar 2020 gab es die Beförderung zum Chef. Er schaffte den Aufstieg und führte die Mannschaft der „Namenlosen“ bis auf Platz zwei. Klar, dass Danso die Situation genießt: „Unsere Entwicklung ist noch nicht abgeschlossen.“
Foto: RC Lens.