Fußball

Rangnick darf sich über mediale „Samthandschuhe“ freuen

Es waren keine guten vier Tage für deutsche Trainer, die im Ausland als Teamchefs arbeiten. Stefan Kuntz, mit Deutschland U 21-Europameister, stand mit der Türkei nach vier Siegen schon als Gruppensieger in der Nations League C und damit als Aufsteiger fest, ehe es Donnerstag ein 3:3 gegen Luxemburg in Istanbul (das erste Tor von Luxemburg erzielte Austria-Legionär Marvin Martins) und noch peinlicher ein 1:2 gegen die Färöer in Torshavn gab. In der türkischen Medien folgte ein „Shitstorm“ gegen Kuntz mit Aufforderungen zum Rücktritt, den der 59 jährige Sohn des Austria-Legionärs aus den Sechzigerjahren ausschloss.

Man kann zwar die Pleite der Türkei nicht mit Österreichs 1:3 unter Ralf Rangnick gegen Vizeweltmeister Kroatien vergleichen. Aber die Frage muss erlaubt sein, ob ein Österreicher als Teamchef so mit Samthandschuhen angefasst würde wie Rangnick, wenn er einen Punkteschnitt von nur 0,66 nach den ersten sechs Partien hat, ob dann nicht zumindest zur Diskussion gestellt werden würde, ob die österreichische Lösung die falsche gewesen ist. Mit medialen Vorwürfen muss Rangnick fast gar nicht leben, an ihm wird nicht gezweifelt. Es wirkt schon grotesk, wenn er für sein Geständnis, mit dem Dreifachtausch und dem Systemwechsel bei 1.1 nach 62 Minuten nicht richtig gelegen zu sein, fast überschwenglich gelobt wird. Wie auch aus dem ORF-Studio. Man dürfe nicht so strenge Maßstäbe anlegen, weil der kroatische Teamchef Zlatko Dadic schon fünf Jahre im Amt ist, Rangnick erst seit knapp fünf Monaten. Wenn der Abstieg in die Europa League B als etwas bezeichnet wird, was man durch die Klasse der Gegner erwarten musste. Einige Leistungen würden ja zu Hoffnungen Anlass geben. Worauf eigentlich? Wenn die Qualifikation für die Europameisterschaft 2024 in Deutschland als großer Erfolg betrachtet werden sollte, der ohne Rangnick vielleicht zu schaffen sein würde, dann ist dies eine Verdrehung der Tatsachen. Österreich qualifizierte sich immer, seit 24 Nationen bei der Endrunde spielen. Auch in der Ära von Marcel Koller und von Franco Foda kam Österreich bei der Auslosung nicht in Topf eins. So wie in der am 9. Oktober.

„Out of the Box“ müsse man bei der Suche Lösungen für die Position an den Außenbahnen denken, sagte Rangnick nach dem 1:3 bei seiner Flucht nach vorne in die ORF-Mikrofone. Damit meinte er, neue Varianten, die nicht auf der Hand liegen, sozusagen erfinden. Ähnliches erklärte er bereits bei seiner Präsentation. Die bisherigen Lösungen waren teilweise Fehlgriffe. Speziell die Nominierung von Valentino Lazaro als Linksverteidiger beim 0:2 gegen Dänemark in Kopenhagen und auch Marcel Sabitzer am Sonntag. Rangnick räumte immerhin ein, er wisse, dass Sabitzer in einer zentralen Rolle besser zur Geltung komme. Warum er dann nicht nach dem Ausfall von Andreas Ulmer reagierte und Neuling Robert Ljubicic, der auf der Abrufliste stand, nominierte? Er ist diese Rolle, die für Sabitzer nicht die richtige war, von Dinamo Zagreb gewohnt und beherrscht sie auch, wie er in der Champions League beim 1:0 gegen Chelsea bewies. Dinamo Zagreb spielt mit drei Innenverteidigern, Robert Ljubicic regelmäßig auf der linken Außenbahn.

Die medialen Samthandschuhe für Rangnick sind für ÖFB-Präsident Gerhard Milletich und Sportchef Peter Schöttel, die ihn engagierten, sicher angenehm. Vielleicht haben sie damit sogar kalkuliert, dass beim Abstieg eher mit einem Ausländer als Teamchef eine positive Entwicklung „verkauft“ werden kann als mit einem Österreicher, die Zweifler bilden eine kleine Minderheit. Die Niederlage gegen Kroatien wird bald kein Thema mehr sein. Eines wird doch in Erinnerung bleiben: Der doppelte Trikottausch von David Alaba. Mit Ivan Perisic, seinem ehemaligen Mitspieler bei Bayern, zur Pause, mit Luka Modric nach dem Spiel.

Foto: UEFA.

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