Auch in Wien werden einige sentimentalen Erinnerungen wach, wenn sich einer der Großen des Weltfußballs am Samstag ab 15.30 gegen den SC Freiburg in die Pension verabschiedet. Philipp Lahm, 33jähriger Kapitän von Bayern, bekommt in der Münchener Allianz-Arena nach 516 Spielen oder 44.417 Minuten für den deutschen Renommierklub zum fünften Mal als Kapitän den Meisterteller überreicht. Insgesamt 22 Titel hat er gewonnen. Viel mehr geht nicht mehr: Bei 113 Länderspielen Kapitän der deutschen Weltmeistertruppe 2014, vor dem Triumph in Brasilien 2010 in Südafrika und 2006 beim deutschen Sommermärchen Dritter, 2008 bei der Euro in Österreich und der Schweiz im Wiener Finale 0:1-Verlierer gegen Spanien. Mit Bayern 2013 Sieger in der Klub-WM, Champions League in Wembley gegen Borussia Dortmund und im UEFA-Supercup gegen Chelsea in Prag, achtmal deutscher Meister. Das ist ein Rekord, den er gemeinsam mit dem Torhütertitan Oliver Kahn, Bastian Schweinsteiger und Mehmet Scholl hält. Dazu war er siebenmal Pokalsieger. Macht gesamt ein Triple und fünf Doubles. Ebenfalls beachtlich: In seinen 331 Bundesligaspielen keine rote Karte, ein Foul von ihm nur alle 159 Minuten. Sehr beeindruckend, dass zwischen Lahm-Fouls zwei Stunden und 39 Minuten lagen.
„Servus Großer, du Riese“, titelte „Bild“ zum Abschied. Die Bundesliga schaltete ganzseitige Inserate in den Medien. Mit dem Text; „Er kam als Verteidiger, er geht als Legende. Wir bedanken uns bei Philipp Lahm für 15 Jahre Weltklasse-Fußball.“ Auch für David Alaba galt Lahm immer ein wichtiger Ratgeber, einer, bei dem man sich anhalten konnte. Sein Nachfolger als Kapitän: Torhüter Manuel Neuer. Als Rechtsverteidiger, wenn es nach dem Willen von Präsident Uli Hoeneß und Vorstandschef Karlheinz Rummenigge geht: Joshua Kimmich. Aber abwarten, wie das Trainer Carlo Ancelotti sieht, der in den letzten Wochen vergeblich versuchte, Lahm zum Rücktritt vom Rücktritt, zum Weitermachen zu überreden. Er sieht ohne Lahm eine Lücke,die nur schwer zu füllen sein wird. Mit ihm verabschiedet sich noch ein Großer: „Quarterback“ Xabi Alonso. Der 35jährige war mit Spanien einmal Weltmeister und zweimal Europameister, gewann die Champions League mit dem FC Liverpool (2005) und Bayern München (2014), wurde mit Bayern dreimal Meister, mit Real Madrid einmal, mit Liverpool auch englischer Cupsieger.
Bei Rapid spielt einer, der drei Jahre älter als Lahm ist, dessen Karriere gemeinsam mit ihm im Bayern-Nachwuchs und bei den Amateuren unter Trainer Hermann Gerland begann: Steffen Hofmann, der grün-weiße Kapitän und Fußballgott. Er wechselte 2002 von Bayerns Amateuren zu Rapid, Lahm ein Jahr später auf Initiative Gerlands zum Vfb Stuttgart, wo er sich unter Felix Magath für Bayern und die Superkarriere empfahl. Mit dem cleveren Roman Grill hatten Lahm und Hofmann über Jahre einen gemeinsamen Berater: „Wir waren im Nachwuchs die Kleinsten, vielleicht haben wir uns deshalb so gut verstanden“ , erinnert sich Steffen, der noch überlegt, ob er als Spieler weiter macht, „Philipp ist wirklich sehr gescheit. Wenn Pep Guardiola behauptet, er hat nie einen intelligenteren Spieler als Philipp trainiert, dann wird das schon seine Richtigkeit haben. So etwas behauptet ein Guardiola nicht nur so beiläufig.“ Lahm ist übrigens 1,70 Meter groß, Steffen drei Zentimeter größer.
Was seinen Freund so auszeichnet: „Er hätte überall, bei jedem europäischen Topklub spielen können und wäre eine Stütze gewesen. Egal in welcher Rolle.“ Egal ob in einer Viererabwehr als rechter Verteidiger,ob rechts oder zentral im Mittelfeld, Lahm erfüllt stets die Erwartungen, die man in ihm setzte. Dabei begann er eigentlich als linker Verteidiger. Er wird Montag seinen Spind im Bayern-Traiingszentrum an der Säbener Straße räumen, will zunächst einmal Abstand gewinnen. Er sieht zum zweiten Mal Vaterfreuden entgegen, ist bereits Teilhaber der Sixtus-Werke, die Heilgeräte herstellt. Den von Bayern angebotenen Job als Sportchef lehnte Lahm ab, weil er keinen Sitz im Vorstand bekam, damit im Endeffekt nichts zu entscheiden gehabt hätte.: „Typisch für die Konsequenz von ihm, da gibt´s keine Kompromisse. Er ist ein ruhiger Typ, der weiß, was er will. Nämlich etwas bewegen zu können“, wweiß Hofmann.
Wie als Spieler. Dass sich Lahm bei der Wahl nach seinem Highlight schwer tat, kann man verstehen. Er hatte einfach zu viele. Hofmann wird ihm bei der Frage, ob er aufhören oder weiter machen soll, nicht miteinbeziehen. So eng war der Kontakt in den letzten Jahren auch nicht mehr: „Ausserdem wird er jetzt einmal seine Ruhe haben wollen. Die er auch verdient hat. Da frag ich ihn nicht, was ich tun soll.“