Fußball

Wie Deschamps seine Stars zu Weltmeistern erzog

Auf Frankreichs weltmeisterlichen Jubel im strömenden Regen von Moskau folgte eine ihre Kabinenparty mit Präsident Emmanuel Macron. Einige Weltmeister crashten die offizielle Pressekonferenz, was inzwischen nach herausragenden Erfolgen schon als Fußballer-Routine gilt. Das erlebte ein Jahr zuvor auch Peter Stöger von seinen Kölner Spielern nach der Qualifikation für die Europa League. Etwa zur gleichen Zeit, in der  „Le Bleus“ in Moskau ihren zweiten WM-Titel feierten, trennte sich Argentinien, Frankreichs geschlagener Gegner im Achtelfinale von seinem Teamchef Jorge Sampaoli. Von den kroatischen Verlierern gab es trotz der schweren Benachteiligung durch den argentinischen Schiedsrichter Nestor Pitana und den Videobeweis kein Wort des Lamentierens. Das machte sie noch sympathischer.

Frankreich liegt seinen Weltmeistern zu Füßen. Montag Abend die Parade an der Pariser Prachtavenue Champs Elysees nach der Rückkehr der Helden aus Moskau, Die berühmte Metro Station Notre Dame heißt für einige Zeit vorübergehend Notre Didier Deschamps. Weil der 49jährige Teamchef in den letzten sechs Jahren seine Stars zu Weltmeistern erzog, die zwar sicher keine neue Fußballära prägen werden, aber eben das taten, was zum großen Erfolg notwendig war: Sie traten als Mannschaft auf. Das war die Basis. Und wenn es sein musste, legten sie zu. Etwa in der zweiten Hälfte de Achtelfinales mit Jungstar Kyilian Mbappe an der Spitze. Als Argentinien durch die überraschende 2:1-Führung die spielerischen Qualität der Equipe Tricolore sozusagen wach küsste. Die prompt 4:3 gewann.

Bei mehreren Turnieren zuvor waren die Franzosen durch Eskapaden aufgefallen. Am schlimmsten war es bei der WM 2010 in Südafrika. Schon vorher war Frankreich empört, als aufflog, dass Bayern-Star Franck Ribery Sex mit einer minderjährigen Prostituierten hatte. Ribery wurde freigesprochen, weil er nicht wusste, dass sie erst 17 war. Das änderte nichts am katastrophalen Image.  Das mit dem Ausscheiden bei der WM nach der Vorrunde noch schlechter wurde. In der Pause beim 0:2 beleidigte Stürmerstar Nicolas Anelka Teamchef Raymond Domenech auf das übelste, wurde umgehend suspendiert. Darauf boykottieren andere das nächste Training. Die Europameisterschaft  2012 brachte trotz Teamchefwechsel keine Trendwende, daher übernahm Deschamps von Job von Laurent Blanc, wie er Weltmeister von 1998.

Auch Deschamps musste anfangs mit Eklats leben. Als er vor der WM 2014 auf Samir Nasry verzichtete, trat der daraufhin zurück, twitterte seine Freundin: „Was für ein Scheiß-Trainer.“ Nach der WM erklärte Ribery, der wegen Rückenbeschwerden nicht dabei war, seinen Rücktritt aus dem Team. Ein Jahr später  eröffnete ein französisches Gericht ein Verfahren gegen Karim Benzema. Der Stürmerstar von Real Madrid soll Mitspieler Mathieu Valbuena mit einem Sex-Video erpresst haben Seiher ist Benzema im Team außen vor, das Verfahren läuft noch immer. Der Baske Deschamps kannte nie ein Pardon: Wer nicht mitzieht ,der fliegt raus, hieß seine Devise: „Einer, der 30 Jahre alt ist und 100 Länderspiele hat, muss sich bei mir denselben Regeln unterordnen wie ein 20jähriger Debütant. Die Disziplin ist das Kapital des Erfolgs“, erklärte Deschamps immer wieder.Im ersten Interview nach dem Schlusspfiff im Luschniki-Stadion  bilanzierte er zufrieden: „Zum Glück haben mir die Spieler zugehört.“ Und befolgten den Verhaltens-Kodex, den jeder Stars unterschreiben musste. Die Regeln klingen simpel, waren aber offenbar wichtig:

Die Spieler müssen das Trikot und die Geschichte der Nationalmannschaft respektieren, stolz sein  berufen  zu werden und dürfen sich nicht negativ äußern.

Die Spiler haben di Nationalhymne zu respektieren. Es war verboten, während des Abspielens der Nationalhymne gelangweilt zu schauen oder schmatzend einen Kaugummi zu kauen. Es gab zwar keinen Befehl, die „Marseillaise“ mitzusingen, aber es taten bei der  WM alle. Paul Pogba mit geschlossenen Augen.

Respekt für den Stab, die Trainer und Funktionäre. Abfällige Äußerungen über Gegner, Schiedsrichter und Sponsoren sind tabu.

Die  Regeln des Zusammenlebens und deren Anwendungen respektieren. Dabei ging es um Pünktlichkeit oder sich bei der Begrüßung die Hand zu geben.

Natürlich, authentisch und demütig auftreten. Das heißt: Fan-Nähe ist erwünscht,  ein Großkotz-Auftreten hingegen total fehl am Platz.

Freude daran haben, gemeinsam zu gewinnen.

Die ist jetzt zur Genüge vorhanden: „Die Nationalmannschaft in ihren blauen Trikots gehört Frankreich, repräsentiert unser Land. Die Schwierigkeit vor und während eines Turniers ist immer, niemanden zu verlieren“, freute sich Deschamps. Sechs Verlierer des EM-Finales gegen Portugal vor zwei Jahren in Paris, Kapitän Hugo Lloris, Samuel Umtiti, Blaise Matuidi, Pogba, Antoine Griezmann und Oliver Giroud, werden jetzt als Weltmeister umjubelt. Von ihrem Charakter war Deschamps überzeugt. Von anderen offenbar nicht. Darum verjüngte er die Mannschaft, als die Oldies Bacary Sagna und Patrice Evra die Karriere beendeten, als Arsenals Abwehrrecke Laurent Koscielny verletzt ausfiel, es Zweifel an der Fitness von Marseille-Star Dimitri Payet gab. Auf klingende Namen, die andere mit Handkuss nehmen würden, verzichtete Deschamps. Beispiele? Anthony Martial von Manchester United, Arsenal-Torjäger Alexander Lacazette, Bayerns Flügelflitzer Kingsley Coman, Barcelonas Verteidiger Lucas Digne. Deschamps machte alles richtig. Die „Grande Nation“ ist zum zweiten Mal Weltmeister.

 

 

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