Fußball

Bei Rapid ist das Mittelfeld wieder wie Wasser

Wer den Schaden hat, muss mit dem Spott auch leben. Die Erfahrung machte Rapid bereits vor dem 1:1 gegen Mattersburg, der nächsten Enttäuschung, die sogar den Rückfall auf Platz sieben bedeutete. Die kursienden Witze über Grün-Weiß werden nicht aufhören. Wie der von der Kassiererin an der Kassa einer Spar-Filiale. Die fragt den Kunden „sammeln sie Punkte?“ Die Antwort: „Na, i bin Rapidler,wir sammeln keine Punkte!“ Oder das Angebot zum Rapid-Paket im Wahnsinns-Sonderpreis von nur 29,90 Euro.  Enthalten ein Heultuch  mit 150 x 150 Zentimeter, ein Träneneimer für zehn Liter, eine Fahne, ein Fanschal und ein Autoatlas mit den Fahrtrouten zu den Stadien der  ersten Liga. Burgenlands Hauptmann Hans Niessl fragte Freitag Abend in Oberpullendorf bei der  Eröffnung des neuen Standorts der Allright-Rechtsanwaltskanzlei, zu der auch der bekannte Sportadvokat Wolfgang  Rebernig gehört, in die Runde: „Was ist der Unterschied zwischen einem Lehrling und Rapid?“ Die Antwort lieferte Austria-Fan Niessl bald mit: „Der Lehrling kann noch Meister werden!“

24 Stunden später verpasste Rapid, die Spötter wenigstens einigermaßen zum Schweigen zu bringen. Nach nur 25 Sekunden das schnellste Tor der Saison durch die schnelle Salzburg-Leihgabe David Atanga, dem sein erster Treffer in der obersten Spielklasse gelang, kassiert. Danach eine gruselige erste Hälfte, in der Nachspielzeit mit der letzten Aktion vor dem Pausenpfiff noch der Ausgleich durch Giorgi Kvilitaia. Der Georgier übertrieb aber manchmal seinen Eigensinn, wodurch man erste Anzeichen von internen Reibereien bemerkte, als sich Mitspieler mit verärgerten Gesten nicht zurückhielten. Bei den vielen  langen und hohen Bällen, die aus der eigenen Hälfte oft nach vorne  gedroschen wurden, kamen einem die Erzählungen der Rapid-Legende Rudi Flögel in Erinnerung, wenn er in launiger Runde erklärte, wie er als offensiver Mittelfeldspieler  in der Ära des „Karawanken-Herreras“ Gerdi Springer Anfang der Siebzigerjahre litt. Weil der Kärntner mit der  Eishockey-Vergangenheit immer wieder als seine eigenwillige Maxime  ausgab: „Das Mittelfeld ist wie Wasser, da schiess´ma die Bälle drüber“.Vier  Jahrzehnte später scheint es wieder so weit zu sein. Ob Absicht oder nicht, bleibt dahingestellt.

Rapid kam zwar nach der Pause mit dem nach einem Hexenschuss erst eingewechselten Louis Schaub vor 19.600 Besuchern zum Chancenplus, aber zu keinem Treffer mehr. Und man konnte Ex-Rapidler Stefan Maierhofer, der auf eigene Gefahr mit einer Gesichtsmaske spielte und trotz nur 15 Ballkontakten in der ersten Hälfte für den Nachzügler doch  wichtig war, nicht widersprechen, als er meinte, Mattersburg hätte auch gewinnen können, wären  Kontermöglichkeiten besser fertig gespielt worden.  Ernst Dokupil, Rapids Erfolgstrainer der Neunzigerjahre, konstatierte nachher, er habe keinen grün-weißen Plan erkannt. Sechs Defensivspieler  gegen Mattersburg von Beginn an, konnte  bei den Ansprüchen Rapids viele nicht nachvollziehen. Aber wahrscheinlich sind die Ansprüche in der derzeitigen Situation, die nach erster allgemeiner grün-weißer Verunsicherung ausschaut, zu hoch.

Den unzufriedenen Canadi ärgerte nachher vor den Sky-Kameras, der hohe Energieaufwand, den man nach dem schnellen 0:1 gegen einen tief verteidigenden Gegner betreiben musste, und die Lockerheit und Arroganz, mit der man die vorletzten und letzten Passes spiele, am meisten. Die kritisiere er auch intern.  Wörtlich versichtere er, dass ihm die sogenannten No Look-Passes auf die Eier gehen. Der No Look-Pass, den Marko Arnautovic kultivierte,  bedeutet: Nach rechts schauen, aber nach links spielen. Oder umgekehrt. Canadi zählt zu den Trainern, die zu der  verständlichen Ansicht neigen, dass man dorthin schauen soll, wohin man den Ball spielt. Vor allem in Situationen wie diesen, in der es wie Canadi richtig erkannte, viel Potenzial nach oben gibt.

Wie sehr die Situation das Nervenkostüm in Anspruch nimmt, merkte man auch am  erstmals bei Canadi von Beginn an aufgebotenen Kapitän Steffen Hofmann: Nach seinem Austausch stürmte er im Finish nach einer rüden Attacke von Mattersburg-Verteidiger Alois Höller an Thomas Schrammel auf den Rasen, um Höller die Meinung zu sagen. Sah dafür ebenso wie der Übeltäter die gelbe Karte.  Was nach dem Rapid-Spiel auf den anderen Schauorten passierte, verschlimmerte die grün.weiße Lage noch: Admira  blieb unter dem neuen Trainer Damir Buric  weiter ungeschlagen. 1:0 gegen Sturm, in der Südstadt funktioniert der Trainerffekt. Admira ist drei Punkte vor Rapid.  Wolfsberg nach dem 1:0 gegen St. Pölten letzter Sekunde durch Christian Klem zwei Punkte. Die Hütteldorfer   damit nur noch vor St. Pölten, Mattersburg und Ried. Niemand kann widersprechen, wenn man das als blamabel bezeichnet.

Dem Vernehmen nach machte Sportchef Fredy Bikel nachher in der Kabine erstmals etwas Druck. Die nächsten drei Spiele nach der Teampause geht´s zweimal auswärts gegen St.Pölten und dann gegen Ried im Innviertel. Bickel beantwortete letzten Donnerstag im Business-Club des Allianz-Stadions vor eingeladenen Rapid-VIPs die Frage der Rapid-Stimme Andy Marek nach der Wichtigkeit des Cupviertelfinales am 5. April in St. Pölten  mit Ironie: „Wenn das schief geht, dann wird´s lustig.“ Passieren kann das derzeit durchaus. Auch wenn nachher der Block West die Mannschaft, als sie sich für die Unterstützung bedankte, mit ihrer Version des Drafi Deutscher-Ewighits wie schon nach dem 1:2 in Graz gegen Sturm aufmunterte: „Marmor, Stein und Eisen bricht, nur unsere Rapid nicht“.

 

 

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