Nach über 60 Jahren hat erstmals wieder ein Titelverteidiger die große Chance, seinen Titel zu verteidigen. So wie Brasilien dies 1962 in Chile mit Pele gelang, darf jetzt Frankreich dank Olivier Giroud und Harry Kane vom zweiten Titel in Folge. Durch das 2:1 (1:0) im Viertelfinale gegen England, bei dem Giroud mit seinem 53. Tor für die „Les Bleus“ den Sieg fixierte und ausgerechnet Kapitän Harry Kane das Elfmeter-Drama zu den „Three Lions“ zurückbrachte. Beim zweiten Mal versagten dem 29 jährigen vom Punkt die Nerven. Beim ersten Mal bezwang er noch Frankreichs Kapitän Hugo Lloris ganz sicher, knallte den Ball ins Eck. Das war der Ausgleich um 1:1, sein 53. Tor im Team, womit er mit Wayne Rooney als Rekordtorschütze Englands gleichzog. Kane und Lloris spielen seit neun Jahren zusammen bei Tottenham. Daher war es auch eine Art Psycho-Duell. Beim zweiten Mal wollte Kane offenbar etwas anderes tun als beim ersten Mal. Das ging total daneben. Er jagte den Ball weit über die Latte, zog vor Schreck das Trikot über den Kopf. Der jüngste Engländer, Jude Bellingham, spendete Kane Trost (Bild oben), aber nach Schlusspfiff war Englands Nummere neun fix und fertig, ging in die Hocke, vergrub das Gesicht in seinen Händen. Giroud hingegen feierte. Frankreich trifft Mittwoch im Semifinale auf Marokko.
Die Franzosen gingen durch das erste WM-Tor von Mittelfeldmotor Aurelien Tchouameni, eines Mitspielers von David Alaba bei Real Madrid, in Führung. Er traf aus 26 Metern mit 108 km/h genau ins Eck. Aber danach war England bis zur Pause besser. 53:47 Prozent beim Ballbesitz, 5:3-Torschüsse, 3:2-Schüsse auf das Tor. Das wurde nach 53 Minuten belohnt. Führungstorschütze Tchouameni foulte Bukayo Saka im Strafraum, nach VfR-Intervention gab der brasilianische Schiedsrichter Wilton Sampaio Elfmeter. Kane traf. Danach ein Spiel auf Augenhöhe, Chancen auf beiden Seiten. Bis in der 78. Minute Giroud aus kurzer Distanz nach Flanke von Antoine Griezmann per Kopf traf, wobei Englands Innenverteidiger Harry Maguire schlecht aussah. Sechs Minuten später das Kane-Drama, das Teamchef Gareth Southgate sicher an sein eigenes als Spieler erinnerte. Als er 1996 beim EM-Semifinale gegen Deutschland in Wembley im Elfmeterschießen den entscheidenden Penalty vergab. Southgate wird nach dem Scheitern von Englands Presse sicher infrage gestellt werden. Den Austausch von Saka verstanden nur wenige. Der Jungstar war der auffälligste Spieler am Platz. Anderseits holte sein Nachfolger Mason Mount den zweiten Elfmeter für England heraus.
Frankreich kann auch gewinnen, wenn Kylian Mbappe so wie von Kyle Walker neutralisiert wird. Denn schafft eben Giroud den besonderen Moment. Schon sein viertes WM-Tor. Ohne Ausfall von Karim Benzema würde er sicher nicht zur Stammelf gehören. Was die vier Semifinalisten Frankreich, Marokko, Kroatien und Argentinien verbindet: In jedem Team steht mindestens ein Legionär aus der deutschen Bundesliga. Daher spielt definitiv mindestens einer im neuen Jahr mit dem Weltmeister-Flair.
Foto: FIFA.