Ausgerechnet der Weltmeister Deutschland sorgte für am vierten WM-Tag in Russland für die erste europäische Niederlage: 0:1 mit acht Weltmeistern, die alles andere als weltmeisterlich wirkten, im ausverkauften Luschniki-Stadion von Moskau gegen Mexiko, erstmals seit 30 Jahren gegen die Mexikaner verloren. Erstmals seit 1982, seit dem 1:2 gegen Algerien in Gijon,im Startspiel eine Niederlage kassiert. Damals wurde Deutschland noch auf wenig überzeugende Art Vize-Weltmeister.Nach den 93 Minuten in Moskau, die „Bild“ als peinlich bezeichnete, kann man sich das nicht vorstellen. Im Gegenteil: „Diese Pleite macht uns WM-Angst“ klagte das Massenblatt. Nämlich, dass es Deutschland so geht wie den letzten zwei europäischen Titelverteidigern: Italien scheiterte 2010 in Südafrika an WM-Debütant Slowakei mit 2:3, konnte zuvor Paraguay und Neuseeland nicht bezwingen, verabschiedete sich nach der Vorrunde. Ebenso Spanien vier Jahre später in Brasilien durch ein 1:5 gegen Holland und ein 0:2 gegen Chile. Passiert Deutschland ähnliches?
Hirving Lozano, der 22jährige Torjäger von Hollands Meister PSV Eindhoven, sorgte mit einem Goldtor (Bild oben) aus einem der vielen gefährlichen Konter, bei dem er Manuel Neuer keine Chance ließ, für das deutsche Dilemma, das sich speziell in den ersten 45 Minuten zeigte. Leichfertige Ballverluste, die Abstimmung passte nicht, daher in viele Konter gelaufen. Teamchef Jogi Löw tobt in der Coaching Zone.“Wir lassen zu viel zu, obwohl wir wissen, dass wir es nicht zulassen dürfen“, kritisierte Innenverteidiger Mats Hummels die defensiven Schwächen, „wir haben gespielt wie beim 2:1 im letzten schwachen Test gegen Südkorea, nur gegen einen viel besseren Gegner.Ich dachte schon, Südkorea war der Weckruf, dieser kommt zu spät.“ Im ZDF-Studio gab Deutschland Ex-Teamkapitän Oliver Kahn Hummels völlig recht: „Vom Anfang bis zum Ende ein blutleerer Auftritt. Da fehlt völlig die interne Kommunikation“ Mittelfeldlenker Toni Kroos, von Mexiko durch Manndeckung ziemlich eingebremst, gab zu: „Wir fanden keine Lösungen. Jetzt stehen wir unter Druck, weil wir Schweden und Südkorea schlagen müssen.“
Im Luschniki-Stadion hörte man am Ende nur die „Mexiko, Mexiko, ra, ra, ra“-Sprechchöre der temperamentvollen Fans der Sensationssieger. Unter Löw gewann Deutschlands eine WM-Startspiel bisher immer klar: 4:0 gegen Australien in Südafrika, 4:0 gegen Portugal in Brasilien. Sonntag ging es total daneben. Löw erwartete in dieser für ihn ungewohnten Situation ein ähnlich temperamentvolle Reaktion seiner Weltmeister kommenden Samstag in Sotschi gegen Schweden wie der mexikanischen Fans in Moskau auf den Triumph: „Wir spielten zu oft zurück statt konsequent schnell nach vorne. Auch als es nach der Pause besser wurde, fehlte die Kombinationssicherheit, die uns sonst auszeichnet.“ Daher folgt eine harte Woche, Medienschelte in Deutschland eingeschlossen.
Selbst wenn die Reaktion wie von Löw erwartet, gelingt, könnte schon im Achtelfinale Brasilien warten. Auch wenn die Brasilianer bei ihrem Start in Rostow beim 1:1 (1:0) gegen die Schweiz noch nicht weltmeisterlich wirkten, schwächer als Freitag Spanien und Portugal, war die Leistung der Südamerikaner doch besser als die Deutschlands. Obwohl sie erstmals seit 1978, seit dem 1:1 gegen Schweden in Mar del Plata, ihr WM-Startspiel nicht gewannen. Auch weil Neymar noch nicht bei hundert Prozent war. Füt Diskussionen und einen Elferzwist im Hause ORF sorgte der Schweizer Ausgleich durch Hoffenheim-Legionär Steven Zuber: Er stieß vor seinem Kopfball Miranda weg. Für Kommentator Thomas König in Rostow zu wenig, um ein Eingreifen des Videoreferees zu rechtfertigen. Für den ORF-Schiedsrichterexperten Thomas Steiner im Studio am Küniglberg hineggen ein Fpul, das zu ahnden gewesen wäre. Zuber kündigte nachher ziemlich kess an: „Wir spielen um den Gruppensieg.“
Platz eins in der Brasilien-Gruppe eroberte Serbien, der Bezwinger Österreichs in der Qualifikation, beim WM-Comeback nach acht Jahren: 1:0 (0:0) gegen Costa Rica in Samara. Der 32jährige Kapitän Alexander Kolarov, Linksverteidiger von AS Roma, bezwang den überragenden Keylor Navas, dreifacher Champions League-Sieger mit Real Madrid, mit einem Superfreistoss. Damit kein erfolgreicher WM-Start von Costa Rica so wie 2014 (3:1 gegen Uruguay), aber ein erfolgreicher WM-Einstand für Serbiens Teamchef Mladen Kristajic.