Wenn bereits nach dem ersten Match einer Qualifikation Durchhalteparolen an der Tagesordnung sind, dann bedeutet das ein schlechtes Zeichen. Ebenso, wie sich Österreichs Team das 0:1 (0:0) gegen Polen vor 40.000 Zuschauern im Happel-Stadion, davon sicher ein Drittel Polen-Fans, schön reden wollte. Wenn danach von Dominanz über 90 Minuten und genügend herausgespielten Chancen die Rede war, die leider nicht verwertet wurden, grenzt das etwas an Realitätsverlust. Die Wahrheit heißt vielmehr: Das war einfach zu wenig, was geboten wurde. Auch von dem im Vorfeld so gehypten, hofierten, fast gehuldigten Marko Arnautovic. Die ersten 45 Minuten ließen verstehen, warum er bei West Ham zuletzt mit einer Ausnahme immer auf der Bank beginnen musste. Viele, viele Gesten, aber ansonst zu wenig. So brachte er seinen Gegenspieler Jan Bednarek, eine Stütze von Ralph Hasenhüttl bei Southamptons Kampf gegen den Abstieg, wenig in Verlegenheit.
Bei Leidenschaft, Laufarbeit, Tempo, Aggressivität und Torgefährlichkeit gab es im Team genug Luft nach oben. Wer eine Woche davor auch das 3:1 von Red Bull Salzburg gegen Napoli live sah, kann nur feststellen: Österreichs Meister war dabei in allen Belangen besser als das Nationalteam, das Polen die Chance gab, erstmals seit der Amtsübernahme von Jerzy Brzeczek als Teamchef nach der WM 2018 zu gewinnen.. Das ist die Realität. Auch wenn die Ausgangsposition nach dem ersten Match, der schnelle Rückstand im Retourspiel Salzburg keine andere Wahl ließ, als bedingungslos nach vorne zu marschieren. Diesen Entscheidungscharakter gab im ersten Spiel der Qualifikation nicht. Aber trotzdem: Etwas mehr vom Salzburger Feuer täte dem Nationalteam gut. Wenn Teamchef Franco Foda nachher einwarf, man hätte sich einen Punkt verdient, kann man andererseits nicht widersprechen. Weil der griechische Referee Anastasios Sidiropoulos übersah, dass Kiews Verteidiger Tomasz Kedziora Florian Grillitsch auf den Fuß trat und den fälligen Elfmeter nicht pfiff. Es hätte trotzdem noch zum Punkt reichen können, hätte der eingewechselte Marc Janko nicht zwei Minuten vor Schluss die perfekte Flanke, die Max Wöber mit seinem schwächeren Fuß lieferte, verwertet. Doch Janko köpfelte daneben. In der letzten EM-Qualifikation vor vier Jahren hätte er diese Chance tausendprozentig verwertet. Aber inzwischen ist er 35 und Reservist beim Lugano, dem Siebenten der Schweizer Super eague. Eigentlich bedenklich, wenn Foda auf ihn setzen muss, um eine Niederlage zu vermeiden.
Am sogenannten Matchplan lag die Niederlage nicht. Der passte. Variabel in der Abwehr mit dem erst nachnominierten Wöber als eine Art Mittelding zwischen drittem Innenverteidiger und Linksverteidiger. Das löste der Sevilla-Legionär dank seiner Spielintelligenz gut. Nur kurz vor Ende der ersten Hälfte wirkte er etwas verunsichert. Als dann im Finish auf 4-4-2 umgeschaltet wurde, legte er die Ausgleichschance auf. Fodas Plan sollte über die linke Seite, vor allem über David Alaba (Bild oben) funktionieren. Die ersten 20 Minuten sah das auch erfolgversprechend aus, aber dann kam der Motor etwas in Stottern und erst im Finish wieder einigermaßen auf Touren. Zu spät nach dem ärgerlichen Verlusttor. Dem ersten in der Ära von Foda nach einer Standardsituation. Nach einem Eckball lag Alaba, der mit Polens Abwehrriesen Kamil Glik zusammengeprallt war, am Boden. Kedziora kam zum Schuss, Heinz Lindner konnte gerade noch abwehren, der zuvor eingewechselte Milan-Torjäger Krzystof Piatek vollendete.
Was am Ende unverständlich blieb: Dass Foda die Option mit Xaver Schlager gar nicht nützte. Weder von Beginn und auch nicht als Joker. Dabei ist Schlager einer von denen, die Power ins Salzburger Spiel bringen, zeigte dies auch schon im Teamdress. So bleibt am Ende als Faktum: Von den zwei besten Mannschaften Österreichs spielte mit Stefan Lainer, der vor der Pause Arnautovic eine Möglichkeit auf den Fuß legte, bei der er sein 21. Tor für Österreich hätte erzielen können, den Ball aber nicht bis zum Tor brachte, nur einer. Vom LASK stand ja gar keiner im Kader.
Lange Zeit zum gefährlichen Selbstmitleid bleibt nicht: Sonntag warten die Israelis in Haifa. Dort gelang den Israelis der Auftakt gegen Slowenien auch nicht so, wie es Sportchef und Teamchef Willi Ruttensteiner und Andi Herzog, deren Scouts Heinz Hochhauser und Gerhard Schweitzer im Happel-Stadion alles genau beobachteten, planten. Das 1:1 (0:0) war gerade noch eine Art Schadensbegrenzung. Dank China-Legionär Eran Zahavi, der Sloweniens Führung ausglich. So ist Nord-Mazedonien nach dem 3:1 (2:0) gegen Lettland der erste Tabellenführer in der Österreich-Gruppe.
Die mangelnde Effizizenz, die zur Niederlage des Teams gegen Polen führte, kostete der U 21 in Triest einen Sieg im ersten Test für die EM-Endrunde gegen Veranstalter Italien. Beim 0:0 ließen Matthias Honsak, Sascha Horvath und Joker Patrick Schmidt Sitzer aus, die man nützen sollte oder sogar müsste. Nur gab die Leistung mehr Grund zu Optimismus als die der Nationalteams.