Am 6. April dementierte der ÖFB in einer Aussendung die Meldung des „Kurier“, wonach Sportdirektor Peter Schöttel bei der Suche nach einem neuen Teamchef in Manchester mit Ralf Rangnick, dem 63 jährigen deutschen Interimstrainer von Manchester United Kontakt aufnahm. Eine Woche später versicherte Schöttel bei einem Zwischenbericht zur Suche nach dem Nachfolger von Franco Foda vor dem ÖFB-Präsidium auf Anfrage von Landesverbandspräsidenten, Rangnick sei kein Thema. Donnerstag Nachmittag kündigte der „Kurier“ an, dass Österreichs neuer Teamchef nicht Peter Stöger oder Andreas Herzog heißen wird, sondern doch Rangnick. Präsident Gerhard Milletich wird ihn Freitag Mittag dem Präsidium als seinen Kandidaten präsentieren, den ihm Schöttel vorschlug. Der Stöger bereits am Mittwoch telefonisch absagte.
Mit der Teamchefsensation stellt der ÖFB seine Glaubwürdigkeit selbst im Frage. Denn es muss mehr als ein Gespräch mit Rangnick gegeben haben. Ob sich die Landesverbandpräsidenten widerspruchslos bieten lassen werden, falsch informiert worden zu sein? Das wird es noch interessante Nebengeräusche zu Rangnicks Bestellung geben. Mit der auch wieder einmal der ÖFB seine so hoch gelobte Trainerausbildung in Frage stellt: Seit nunmehr elf Jahren ist offenbar kein Österreicher gut genug, die Nationalmannschaft zu führen. Auf den Schweizer Marcel Koller und den Deutschen Franco Foda folgt noch ein Deutscher.
In die Gespräche mit Rangnick war garantiert Red Bull Salzburgs Sportchef Christoph Freund eingebunden, der zur Sportkommission des ÖFB gehört. Freund war die rechte Hand von Rangnick, als der von 2012 bis 2015 Sportchef in Salzburg war. Und zugleich auch von RB Leipzig. Erstmals war Rangnick aufgefallen, als er 1998 Ulm in die Bundesliga führte. Danach war er Trainer beim VfB Stuttgart (1999-2001) bei Hannover 96 und Schalke, ehe er Hoffenheim in die Bundesliga brachte. 2011 stieg er nchmalsbei Schalke ein, wurde Pokalsieger, hörte drei Monate später wegen eines Burnout auf. Nach der Salzburg-Zeit war er bei Leipzig nicht nur Sportchef, sondern zweimal auch Trainer (2015/16 und 2018/19). Danach fungierte er bis 2020 als Global Sports Director bei Red Bull, ehe er im Sommer 2021 bei Lok Moskau als Sport-Vorstand einstieg. Den Job quittierte nach vier Monaten, um im Dezember Trainer in Englands Premier League, die immer sein Traum war, bei Manchester United bis Saisonende zu werden.
Das Kapitel in Old Trafford verlief nicht wunschgemäß: In 20 Partien der Premier-League nur neun Siege und ein Punkteschnitt von 1,65, im FA-Cup in der vierten Runde in Old Trafford blamabel an Zweitligist Middlesbrough im Elfmeterschießen gescheitert, in der Champions League im Achtelfinale an Atletico Madrid. Die Mission, United auf einen Champions League-Platz zu führen, kann er wohl nicht mehr erfüllen: Nach dem 1:1 (0:0) gegen Chelseya am Mittwoch Abend mit zwei Spielen mehr vier Runden vor Schluss fünf Punkte Rückstand auf den Vierten Arsenal. Mit arrivierten Stars wie Cristiano Ronaldo, Paul Pogba, Bruno Fernandes oder Paul Maguire funktionierte eben das von Rangnick forcierte aufwendige Spiel mit viel Laufarbeit und hohem Pressing nicht. Mit jüngeren, hungrigen Spielen gelingt das eher. Bei Manchester United wurde bereits der Holländer Erik ten Hag von Ajax Amsterdam als neuer Trainer präsentiert. Am 1. Juli sollte Rangnicks Beratervertrag beginnen. Bleibt er auch als Österreichs Teamchef Berater in Old Trafford?
Rangnick soll sich dem finanziellen Korsett des ÖFB unterordnen. Das vorsieht, dass der Teamchef nicht mehr als eine Million Euro brutto verdient. Bei einem, der Manchester United-Gagen gewohnt ist, schwer vorstellbar. Außer, es ist noch ein zweiter Finanzier im Spiel. Gedanken an Rangnicks ehemaligen Arbeitgeber wären nicht weit hergeholt. Österreichische Trainer, die unter Sportchef Rangnick arbeiteten, waren Adi Hütter in Salzburg und Ralph Hasenhüttl bei RB Leipzig. Beim Ende gab es Dissonanzen. Wenn Foda vorgeworfen wurde, ein bisschen ein Dikator zu sein, dann kommt mit Rangnick ein noch größerer. Was auch nicht ganz unproblematisch ist: Die Premier League endet am 22. Mai, für Manchester United bei Crystal Palace. Zwölf Tage später ist das erste Spiel Österreichs in der Nations League gegen Kroatien in Osijek. Damit muss Rangnick einen Kader nominieren, ohne zuvor einen Spieler beobachtet zu haben. In Leipzig-Zeiten trainierte er Marcel Sabitzer und Konrad Laimer.
Foto: Twitter/Manchester United.