Je näher die Sommer-Transferzeit rückt, desto astronomischer und irrealer werden die Summen, die da im Gespräch sind. Etwa in dem 120 Kilometer südöstlich von Peking gelegenen Hafen Tianjin. Der in dieser 15 Millionen Einwohner-Stadt spielende Zehnte der chinesischen Super-League, Tianjin Quanjian FC, trainiert vom früheren italienischen Weltmeister Fabio Cannavaro, macht Jagd auf Borussia Dortmunds Torjäger Pierre Emerick Aubayemang. Mit 85 Millionen Ablöse für Dortmund. Der 28jährige könnte in vier Jahren 120 Millionen netto kassieren, würde bei der Unterschrift gleich ein Drittel davon bekommen. In Tianjin spielen bereits der belgische Internationale Axel Witsel und drei Brasilianer, darunter Ex-Milan-Star Pato.
Andere Beispiele: Manchester United bietet Real Madrid für den Kolumbianer James Rodriguez, der beim Champions League-Siegeer keinen Fixplatz hat, 80 Millionen. Der Umsatz von United hat sich laut Geschäftsführer Ed Woodward auf die Rekordmarke von 665 Millionen pro Saison gesteigert, allerdings stieg auch die Nettoverschuldung. Auf stolze 426 Millionen. Bei Peter Stögers 1.FC Köln verkündete vor dem Samstag-Finale um Europa gegen Mainz Torjäger Anthony Modeste, dass er danach mit dem Klub reden muss. Er hat einen Vertrag bis 2021, verdient aber „nur“ drei Millionen pro Saison. Bei 25 Saisontoren ist dem Franzosen das zu wenig. Sieht ganz danach aus, als würde Stöger seinen Torgaranten verlieren, ganz egal, wie die Saison endet. Bei einer Ablöse um die 40 Millionen wird Köln Modeste keine Steine in den Weg legen.
Angesicht dieser Wahnsinns-Entwicklungen bleibt Österreich zum Glück eine Insel der Seligen, sprich Billigen. Da kann Meister Salzburg dank der Verkäufe der letzten Jahre von Alan, Kevin Kampl über Naby Keita, Bernardo, Dayot Upamecano bis zu Soriano vielleicht in maximal 20 Prozent dieser Dimensionen denken, aber damit hat es sich. Die aktuelle Bestandsaufnahme bei allen anderen Bundesligaklubs heißt wohl: Verkaufen kommt vor dem Einkauf. Rapids unaufgeregter Sportvorstand Fredy Bickel hat das ehrlich artikuliert, aber das ist nicht nur auf Grün-Weiß beschränkt. Auch beim violetten Erzrivalen Austria verhält es sich so. Damit hält auch Bickels Kollege Franz Wohlfahrt nicht zurück. Sturm Graz-Sportchef Günter Kreissl wird ebenfalls keine Offensive in Sachen Einkauf starten können.
Im konkreten Austria-Fall heißt das in etwa so: Das Interesse am schnellen Admira-Stürmer Christoph Monschein (oben rechts), der bisher zehn Tore in dieser Saison erzielte, ist zwar da. Vielleicht sogar noch etwas konkreter als die Wochen zuvor, in denen sich abgezeichnet hatte, dass Monschein in die zweite deutsche Liga zu den Würzburger Kickers, dem „Hauptverein“ von Admiras Sponsor Flyeralarm, wechseln wird. Jetzt hat der aber heuer als einziger Profiklub in Deutschland kein Match gewonnen, steigt Sonntag vermutlich in die dritte Liga ab, die für den 25jährigen sportlich uninteressant ist.
Aber die finanziellen Möglichkeiten der Austria sind durch den Stadionausbau derzeit begrenzt. Damit muss sich Wohlfahrt arrangieren. Die heißt: Monschein kann nur kommen, sollte sich Larry Kayode (Bild links) als Torschützenkönig verabschieden. Derzeit liegt er mit 16 Treffern gleichauf mit Deni Alar von Sturm auf Rang eins. Schon jetzt soll es für den 24jährigen Nigerianer, dessen Marktwert bei zwei Millionen liegt, in Deutschland, England oder auch in den Emiraten lukrativere Möglichkeiten geben. Was aber anderseits bedeutet, dass die Austria nicht stärker wird. Das passt wiederum nicht zu den Intentionen von Trainer Thorsten Fink. Das sind die Realitäten in der österreichischen Bundesliga.
Und auch mit Verkäufen, die Geld in die Kassen spülen, ist es nicht so einfach. Die Ausnahme ist wieder Meister Salzburg. Angefangen von Konrad Laimer bis zu den Rohdiamanten in der Mannschaft, die in der European Youth League, triumphierte. Aber die Konkurrenz? Auch da blieben die Möglichkeiten überschaubar. Bei Rapid gibt´s Intersssenten für Louis Schaub und Max Wöber. Bickel wird wahrscheinlich daran denken, schon jetzt den 2019 auslaufenden Vertrag mit dem 19jährigen Abwehrspieler strategisch zu verlängern. Um auch eventuell 2018 für Wöber noch eine sehr lukrative Ablöse kassieren zu können. Denn wenn der Vertrag nur noch ein Jahr läuft, reduziert das den Preis. Um aber Wöber zur Verlängerung zu bewegen, müsste man auch seine Bezüge verbessern, Rapid also ins „G´sparte“ greifen. Fragt sich, wie viel Erspartes noch vorhanden ist.
So sehen derzeit die österreichische Realitäten aus. An denen wird keine Reform etwas ändern, auch nicht die Zwölferliga ab 2018. Wer etwas anderes glaubt, ist ein Träumer. Aber vielleicht ist es sogar gut so, dass in einem kleinen Land wie Österreich nicht der finanzielle Wahnsinn den Fußball regiert, Geld nicht total den Charakter verderben kann.