In Abstand von sechs Jahren steht der VfL Wolfsburg offenbar für Spektakel. 2009 war es der Meistertitel unter Felix Magath, 2015 Platz zwei und der Pokalsieg mit Kevin de Bruyne, jetzt Star bei Manchester City. Auch 2021 sieht es danach aus: Platz drei in der Bundesliga mit nur zwei Niederlagen in 19 Runden, dazu im Viertelfinale des Pokals. Das alles mit österreichischer Beteiligung: Auf der Trainerbank mit Oliver Glasner in seiner zweiten Saison mit seinen Assistenten Michael Angerschmid, und Thomas Sageder, am Spielfeld mit Xaver Schlager und mitunter Pavao Pervan, wenn er im Tor gebraucht wird. Glasner hat es nach Rang sieben im letzten Jahr so weit gebracht, dass sogenannte Arbeitssiege als“nervig und anstrengend“ gesehen werden, wie es Sportvorstand Jörg Schmadtke Mittwoch nach dem 1:0 gegen Schalke ausdrückte. Man könnt aber auch sagen, Wolfsburg habe inzwischen so viel Qualität, um auch schwächere Spiel gewinnen zu können.
„Der Champions League-Platz ist nicht unsere Erwartungshaltung. Mit dem Anspruch sind wir nicht in die Saison gegangen“ stellte Glasner klar. Dabei bestätigt ihn Aufsichtsratschef Frank Witter, zugleich Vorstand von Sponsor VW, mit den Worten „so weit sind wir noch nicht“ in einem Interview mit „SportBild“. In dem er auch die Entwicklung unter Glasner lobt: „Wir haben uns in der Spitzengruppe festgekrallt, kein Gegner freut sich im Moment, auf uns zu treffen“. Und das trotz der enormen Leistungsdichte in der Bundesliga, die auch Glasner anspricht. Abgesehen von Champions League-Sieger Bayern kämpft Wolfsburg auch gegen einen Semifinalisten der Königsklasse (RB Leipzig), einen Viertelfinalisten der letzten Europa League (Leverkusen), Mannschaften, die noch in der Champions League dabei sind (Borussia Dortmund, Mönchengladbach) oder derzeit über sich hinauswachsen wie Eintracht Frankfurt. Die österreichischen Trainer in der Bundesliga als Konkurrenten um einen Platz unter den ersten vier, Adi Hütter und Glasner.
Der sich durch die Corona-bedingten neuen „Zustände“, das man in den leeren Stadien jedes Trainerwort hört, zumal TV-Mikrofone bei den Trainerbänken, stehen, gar nicht ändern musste: „Das kümmert mich gar nicht“, versicherte er. Denn er ist so zurückhaltend und höflich geblieben wie man ihn aus Österreich kannte, so analytisch und fast besessen von Daten und Zahlen. Das gehört zu seinem Erfolgsweg. In Wolfsburg ist es ihm gelungen, die Spieler von sich zu überzeugen, sie mitzunehmen und mitzureißen: „Der Trainer will intensiv spielen, dafür muss jeder bereit sein. Er spricht immer wieder die gleichen Dinge an, legt den Finger in die Wunde. Nur so kommen wir weiter“, behauptet das Wolfsburger Urgestein Maximilian Arnold.
Einen Grund, etwas ungemütlich zu werden, gibt es für Glasner derzeit nicht. Denn das passiert bei ihm nur, wenn er das Gefühl hat, dass die Mannschaft stagniert. Die Zeiten, in denen Wolfsburg für einen Spieler 36 Millionen Euro Ablöse bezahlte wie 2015 für Julian Draxler, sind lange vorbei. In der letzten Übertrittszeit lag das Limit bei zehn Millionen Euro für den deutschen U 21-Teamspieler Ridle Baku. Witter betont allerdings, dass sich Wolfsburg derzeit fünf so teure Spieler pro Transferperiode nicht leisten kann. Xaver Schlager kostete 2019 15 Millionen Ablöse. War bisher jeden Euro wert. Der Marktwert des holländischen Torjägers Wout Weghorst steigerte sich unter Glasner auf 30 Millionen.
Außer Pervan kennt Schlager noch zwei Brasilianer aus LASK-Zeiten: Linksverteidiger Paulo Otavio und Stürmer Joao Victor, der als Joker schon für einige Impulse sorgte. Das Leben für Glasner spielt sich derzeit nur zwischen Trainingszentrum und Wohnung ab, mehr ist sozusagen nicht „erlaubt“. 18 Stunden nach dem Sieg über Schalke begann mit den Assistenten die Analyse von Augsburg, dem Samstag-Gegner in der Bundesliga, wo die Serie prolongiert werden soll. Wenn Zeit bleibt, dann sieht sich Glasner via TV auch die Spiele seiner Ex-Klubs in Österreich an. Von Red Bull Salzburg, wo er 99 Spiele Assistent von Roger Schmidt war, Ried und LASK, wo er als Chef so gut war, dass er in die deutsche Bundesliga kam. Und sich auch dort zurecht findet. Ohne große Nebengeräusche. Still und bescheiden, wie er es von den Spielern verlangt. Von einer Ausstiegsklausel im Vertrag des 46 jährigen, der bis 2022 läuft, hörte man bisher noch nichts. Diese Schlagzeilen hat derzeit Marco Rose. Was ihn nicht sehr freut.