Fußball

95 Millionen fordern eine Milliarde: Die größte Herausforderung in Salzburgs Klubgeschichte

Erling Haaland sass Dienstag Mittag in der Sondermaschine von Mister Red Bull Salzburg nach Liverpool, zur bisher größten Herausforderung seiner jungen Karriere und der Salzburger Klubgeschichte seit der Übernahme von Red Bull vor 14 Jahren. Vielleicht vergleichbar mit dem UEFA-Cup-Finale von Austria Salzburg gegen Inter Mailand 1994.  Wer Jubelszenen um den 19jährigen Norweger wie vor zwei Wochen beim 6:2 gegen Genk (Bild oben) zum Start in die Champions League erwartet, der ist ein grenzenloser Optimist. Und betreibt Realitätsverweigerung: Auch wenn sich Haaland in der letzten Woche auch im Krankenbett den Kopf darüber zerbrach, was er tun könnte, um auch gegen Liverpools holländischen Abwehrriesen Virgil van Dijk gut auszusehen.  Denn im laut Trainer Jesse Marsch besten Stadion der  Welt an der Anfield Road ist Österreich Meister beim Titelverteidiger FC Liverpool, dem Tabellenführer der Premier League, krasser Aussenseiter. Wer erwartet, dass Haaland, sofern er nach einer grippalen Infekt in der Startelf steht, ein ähnliches Tormonster sein kann wie bisher mit vier Dreierpacks, mit 17 Toren in 10 Spielen, was auch in England registriert wurde, zumal sein Vater Alf durch seine Spielerzeit bei Leeds und Manchester City einen Namen hat, dass Salzburg auch in Liverpool ähnlich erfolgreich auftreten wird wie in den neun seiner bisherigen zwölf Spiele mit mehr als vier erzielten Toren, der ist ein Phantast. Es wäre schon eine Riesenleistung und überragend, wenn es dabei bleibt, dass Salzburg wie in allen Spielen dieser Saison mindestens zwei Tore erzielt. Zumal Liverpool nach er 0:2-Startniederlage bei Napoli eine Reaktion zeigen muss und garantiert zeigen wird. Es ist ein Match, in dem  Salzburg nichts zu verlieren hat – deshalb ist es auch eine angenehme Ausgangslage.

Drei österreichische Klubs gastierten bisher an der Anfield Road. Der GAK gewann als einzige. Am 24.August 2004 mit dem heutigen Salzburger Co-Trainer Rene Aufhauser im Mittelfeld 1:0, schied aber dennoch in der Qualifikation zur Champions League aus. Der FC Tirol verlor dort am 11.Dezember 1991 im letzten Match der Ära von Ernst Happel 0:4, die  Austria 1985 im Europacup der Meister 1:4, wobei Herbert Prohaska das Ehrentor erzielte. Es wird Salzburgs erstes Match auf der Insel seit neun Jahren. Damals gab es im UEFA-Cup bei Manchester City ein 0:3. Keine gute Vorzeichen. Vielleicht ist der  Schiedsrichter eines. Zwar lassen schwedische Referees viel durchgehen, was der Intensität, mit der Liverpool seine Spiele angeht, entgegenkommt, aber  Andreas Ekberg war im letzten Jahr bei drei österreichischen Siegen im Einsatz. Auch bei einem von Salzburg. Beim 3:2 in Leipzig in der Gruppenphase der  Europa League. Dann noch in Triest beim 2:0 von Österreichs U21 gegen Serbien im Juni beim Start in die Europameisterschaft und zuletzt im August beim 2:1 des LASK in der Qualfiikation zur Champions League im St.Jakob-Stadion gegen den FC Basel.

Marsch sah vor Jahren sein erstes Fußballspiel in Europa an der Anfield Road. Er erkannte bei allen Videostudien keinen Schwachpunkt  bei Liverpool, nur viel Aggressivität, Schnelligkeit und Intensität: „Alle von uns brauchen ein perfektes Spiel, um zu bestehen!“ Er überlegt, ob es Sinn macht, drei Innenverteidiger aufzubieten. Das wären Andre Ramalho, Max Wöber und Jerome Onguene. Für Ramalho und Kapitän Andreas Ulmer wird es ein Wiedersehen mit ihrem ehemaligen Mitspieler Sadio Mane, mit dem sie 2013/14 das Double gewonnen hatten. An den sie auch unangenehme Erinnerungen haben: Manes Streik vor dem Rückspiel in der Qualifikation zur Champions League in Malmö, um seine Freigabe nach England zu erpressen Sein Beispiel sollte in späteren Jahren noch Schule machen. Mane landete über den Umweg Southampton 2016 bei Liverpool, zwei Jahre später mit Naby Keita  ein weiterer Ex-Salzburg-Star (zweimal das Double gewonnen, zweimal Spieler des Jahres in Österreich) über die Zwischenstation RB Leipzig 2018. Aber anders als Mane beginnt Keita Mittwoch Abend auf der Bank.

Liverpools Trainerstar Jürgen Klopp warnt seit der Auslosung davor, den Außenseiter aus Österreich zu unterschätzen. Er tat es wieder Dienstag auf seiner Pressekonferenz, als die Salzburger Mannschaft noch in der Luft war.  Die 2644 Karten im Auswärtssektor an der Anfield Road waren seit Wochen vergriffen, insgesamt werden Mittwoch 3000 Salzburger Fans im Kultstadion sein und versuchen, sich bemerkbar machen. So viele wie noch nie bei einem Auswärtsspiel. Der Aufwand um das Spiel des Jahres einer österreichischen Mannschaft, dem Duell zwischen Titelverteidiger und dem aktuellen Tabellenführer der Liverpool-Gruppe, ist jedenfalls riesig. Auch bei Sky Austria: Marc Janko analysiert, Österreichs Ex-Teamkapitän Christian Fuchs debütiert als Co-Kommentator. Mit Leicester gewann er noch nie an der Anfield Road, nicht einmal in der sensationellen Meistersaison 2015/16. Aber Salzburg traut der Leicester-Legionär, der inzwischen in London wohnt, schon etwas zu: „Wenn sie so frech spielen, wie man es von ihnen gewohnt ist.“ Aber der Marktwert beider Mannschaften sagt alles über den Unterschied: 95 Millionen bei Salzburg, bei Liverpool 1,07 Milliarden. Klopp hat den Marktwert seit der Amtsübernahme im Oktober 2015 verdreifacht. Der deutsche Ex-Teamspieler Didi Hamann, der 2005 mit Liverpool die Champions League gewonnen hatte, sah Montag Abend bei Servus-TV in der aktuellen Mannschaft noch mehr Qualität. Und meinte nur zum Mythos Anfield Road: „Selbst ein Lionel Messi war beeindruckt und hat Wirkung gezeigt.“

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