Riecht das erste Wiener großer Fußballderby dieser Saison, das insgesamt 327. am Sonntag Nachmittag in Hütteldorf, für das es Freitag nur noch Restkarten gab, nach einem 1:1? Darauf lässt der Derbyaufputz von „Sky“ schließen. Das ist der deutsche Weltmeister von 1990, der 150fache Teamspieler Lothar Matthäus. Samstag ist er am Abend noch in der deutschen Bundesliga bei Borussia Mönchengladbach gegen Schalke im Einsatz. Sonntag fliegt er von Düsseldorf nach Wien. Im neuen Allianz-Stadion war er noch nie.
Als Matthäus in der Saison 2001/02 bei Rapid als Nachfolger von Ernst Dokupil auf der Trainerbank eingestiegen war, gab es noch drei Derbys. Alle endeten 1:1. Zweimal im alten Hanappi-Stadion, wobei Rapid beim zweiten den Ausgleich erst in der 93. Minute durch den Slowaken Vladimir Janocko kassierte, einmal in Favoriten. Verpflichtet wurde Matthäus damals von General Manager Werner Kuhn, der im Auftrag des Chefs von Sponsor Bank Austria, Gerhard Randa, so handeln musste. Der damals die Präsidiumsmitglieder der Hütteldorfer einfach für vollendete Tatsachen gestellt hatte.“Rapid war eine emotionelle Angelegenheit, bei der es leider nicht so lief, wie es sich alle vorstellten“, sagt Matthäus 16 Jahre später im Blick zurück. Eigentlich gelang nur ein einziges großes Highlight: Das 5:1 in der ersten UEFA-Cup-Runde gegen Partizan Belgrad.
Nicht nur Kuhn, sondern auch die Rapid-Stimme Andy Marek, Stefan Ebner, der als Teammanager mit ständig wechselnden Personalwünschen des sprunghaften Matthäus konfrontiert war und sie erfüllen sollte, Pressechef Peter Klinglmüller oder Physiotherapeut Wolfgang Frey könnten in Erinnerung an die Matthäus-Saison einige seltsame Geschichten erzählen. Geholt wurden auf seinen Wunsch der polnische Verteidiger Marcin Adamski, der deutsche Mittelfeldspieler Gerhard Poschner, der allerdings nur für sechs Partien blieb und dessen Landsmann Thomas Sobotzik. Eigentlich gegen den Willen von Matthäus holte Rapids damaliger Präsident Rudi Edlinger Andreas Herzog von Werder Bremen zurück. Der sich im Finish der turbulenten Saison unter seinem ehemaligen Mitspieler bei Bayern München nur mehr auf der Ersatzbank fand. Edlinger zog damals die Reißleine, beendete die Ära Matthäus. Sollte es Sonntag ein Wiedersehen zwischen dem ehemaligen Trainer und dem nunmehrigen Ehrenpräsidenten geben, wird das gemischte Gefühle hervorrufen.
Die Wahrheit in Zahlen: Am Ende stand nur Platz acht, die schlechteste Platzierung in der grün-weißen Vereinsgeschichte. Mit 32 Punkten Rückstand auf den von Jogi Löw trainiert Meister FC Tirol Innsbruck. Vor zwei Monaten hatte Matthäus via „Bild“ nach dem deutschen WM-Desaster zu den schärfsten Kritikern von Teamchef Löw. gezählt. Abwarten, was Matthäus am Sonntag zum Wiener Derby einfallen wird. Hans Krankl wird mit ihm kommentieren und analysieren. Sky überträgt sogar mit 14 Kameras, das Derby wird das zweite von vier Free-TV-Spielen, zu empfangen via A 1. Das erste zur Eröffnung der Saison mit Austria – Wacker Innsbruck hatte mit einem Quotendesaster geendet. Abwarten, ob mit dem Derby die Wende gelingt.
Ein 1:1 wie unter Lothar Matthäus würde Rapids Trainer Goran Djuricin vier Tage vor dem Heimstart in die Europa League gegen Spartak Moskau sicher zu wenig sein. Nach einem 0:2 unter Mike Büskens, 0:2, 2:2, 1:1 unter Djuricin lechzt Rapid nach dem ersten Derbysieg im neuen Stadion. Austrias Ziel: Der erste Auswärtssieg seit 7.April. Seiher ging es sechsmal in der Fremde schief. Personelle Veränderungen? Bei Rapid könnte erstmals der serbische Stürmer Andrija Pavlovic zum Kader gehören, Austria fehlt der am Knie verletzte chilenische Linksverteidiger Cristian Cuevas. Trainer Thomas Letsch arbeitete in der Länderspielpause unter anderem an einer neuen Aufgabenverteilung im Mittelfeld.