Wer hätte daran gedacht, dass am 17. Jänner im Nachtragsspiel zwischen Wolfsberg und Sturm Graz die Entscheidung darüber fällt, wer als Erster in die letzten zehn Runden des Grunddurchgangs geht, dass Sturm den Schlager zur Eröffnung der Frühjahrssaison am 22. Jänner im Hütteldorfer Allianz-Stadion gegen Rapid vielleicht als Tabellenführer bestreitet, dass Sportchef Andreas Schicker und Trainer Christian Ilzer nach sechs Monaten auf die Euphoriebremse treten müssen? Schicker räumte bei seiner auf der Sturm-Homepage veröffentlichten Weihnachtsbotschaft ein, diese Momentaufnahme nicht erwartet zu haben, bezeichnet die Saison als herausfordernd, schwierig, spannend und auch lehrreich: „Wir haben die richtigen Lehren aus der letzten Saison gezogen!“ In der Sturm die Meisterrunde total verpatzt hatte.
Aus Überzeugung ein steirisches Trainerteam um Ilzer installiert, dazu mit Matthias Berthold als Teamentwickler einen, der aus der Skiszene kam, Trennung von elf Spielern, acht Neue verpflichtet. So etwas nennt man Radikalumbau. Den ersten Vertrag, den Schicker gemeinsam mit Wirtschafts-Geschäftsführer Thomas Tebbich verlängerte (Bild oben), war der mit Tormann Jörg Siebenhandl. Wogegen es auch kritische Stimmen gab, wie sich Schicker erinnert. Heute sind alle damit zufrieden. Weil der 30 jährige erst fünf Tore kassierte, es in der Bundesliga derzeit sicher keinen besseren Tormann gibt als Siebenhandl, der siebenmal „zu null“ spielte. 13 Spiele aus dem neuen Sturm-Kader wurden nach dem Jahr 2000 geboren, da steckt viel Potenzial und Zukunft drinnen. Die Spielidee war auf defensiver Stabilität und Umschalten aufgebaut: „Man kann sie schon größtenteils am Rasen erkennen“, freut sich Schicker. Mentalität, Teamgeist und Begeisterung hätten den Aufschwung möglich gemacht: „Aber wir dürfen nicht nachlassen!“ Schickers Bestandsaufnahme zur Stimmung rund um den Höhenflug: „Jeder einzelne will an unserer Geschichte aktiv mitschreiben und nicht nur der sein, der sie dann liest!“
Schicker weiß, dass auf ihn neue Hausaufgaben warten. Etwa die Vertragsverlängerungen mit Kapitän Stefan Hierländer und Jakob Jantscher, der mit zehn Scorerpunkten schon zwei mehr hat als in der gesamten letzten Saison, in der Ilzers Vorgänger Nestor el Maestro den Routinier nicht so hoch schätzte. Die Frage ist, ob sich Sturm in Corona-Zeiten die bisherigen Verträge nochmals leisten wird können. Der Wille, beide zu halten, ist groß. Ebenso wie den Georgier Otar Kiteishvili, der eine Ausstiegsklausel in dem bis 2022 laufenden Vertrag hat, den Schickers Vorgänger Günter Kreissl aushandelte. Die Summe, um die Kiteishvili gehen könnte, wäre für den heimlichen Tabellenführer sehr lukrativ. Nur wird sie vermutlich in Corona-Zeiten keiner zahlen.