Was am 1.August 2018 in Graz begonnen hatte, dürfte zehn Monate später am 1. Juni in Madrid enden: Der Flug von Ajax Amsterdam durch Europa. Mit neun Auswärtsspielen ohne Niederlage. Das ist einmalig. Auf das 4:1 im Achtelfinale bei Titelverteidiger Real Madrid in Bernabeu und dem 2:1 im Viertelfinale bei Juventus Turin folgte im Semifinal-Hinspiel in Tottenhams neuem „Luxustempel“ an der Londoner White Hart Lane ein 1:0 (1:0). Das Tür zum ersten Finale der Champions League mit Ajax seit 23 Jahren am 1. Juni ist weit aufgestoßen, eigentlich kann der Flug in die spanische Hauptstadt Madrid schon gebucht werden.
Am 1.August hatte Sturm nach einem 0:2 in Amsterdam daheim in der ausverkauften Grazer Merkur-Arena keine Chance, den Rückstand aufzuholen. Verlor 1:3 (0:1), wobei Oldie Klaas Jan Huntelaar zweimal traf. Das war in der zweiten Qualifikationsrunde. In der dritten führte Ajax in Lüttich gegen Standard 2:0, am Ende hieß es 2:2. Das reichte. Im Play-off gab es in Kiew ein 0:0, das nach dem 3:1 im Heimspiel den Aufstieg in die Gruppenphase bedeutete. Dort spielte Ajax noch mit dem Österreicher Max Wöber in München gegen Bayern 1:1, ebenfalls 1:1 in Lissabon gegen Benfica, gewann in Athen gegen AEK 2:0. Am beeindrucksten waren heuer die Leistungen bei Real Madrid und Juventus. Ein mutiges Offensivspektakel, das alle begeisterte.
An das Ajax anfangs auch in London anschloss, schneller und ballsicherer wirkte. Die erste Chance zur Führung nützte. Der 22jährige Mittelfeldspieler Donny van de Beek, ein Eigengewächs von Ajax, verwertete nach 15 Minuten nach perfektem Assist des Marokkaners Hakim Ziyech. van de Beek hatte in Turin den Ausgleich gegen Juventus erzielt. Ajax hatte alles im Griff. Tottenham kam erst nach der Pause besser ins Spiel, ohne je gefährlich zu werden. Nur ein Torschuss in 93 Minuten, das sagt alles. Bitter für den Dänen Christian Eriksen den Kolumbianer Davison Sanche und den Belgier Jan Vertonghen, die vor Tottenham bei Ajax gespielt hatten. Speziell für Vertonghen, weil der Innenverteidiger bei einem Zusammenprall im Ajax-Strafraum mit seinem Mitspieler Toby Alderweireld mit stark blutener Nase liegen blieb, es nochmals versuchte, aber nach 39 Minuten aber raus musste, an der Outlinie fast zusammenbrach.
Bei einem Stangenschuss des Brasiianer David Neres war Ajax in der schwächeren zweiten Hälfte dem zweiten Tor viel näher als Tottenham dem Ausgleich. „Wir waren nur vor der Pause gut“, meinte nachher etwas selbstkritisch Abwehrchef Matthijs de Ligt (Bild oben), mit 19 der jüngste Kapitän, der je in einem Semifinale der Champions League spielte, „wenigstens konnten wir nachher zeigen, nicht nur angreifen, sondern auch gut verteidigen zu können. Aber wir spielen gerne, das ist der Stil, der uns groß machte. Den werden wir versuchen, auch im zweiten Spiel daheim durchzubringen.“ Ajax-Trainer Erik ten Hag glaubte, es wäre möglich gewesen: „Aber wenn man so eine Leistung in London gegen Totenham bringt, dann muss die auch ganz gut gewesen sein.“
Tottenhams Hoffnungen für das Retourspiel in der Johan Cruyff-Arena: Dort verlor Ajax gegen Real Madrid 1:2, gewann weder gegen Bayern noch gegen Juventus. Zudem kann der beim 0.1 gesperrte Südkoreaner Heung Min Son wieder stürmen. Groß sind die Hoffnungen nicht, auch wenn es Trainer Mauricio Pochettino ganz anders sah.