Fußball

Geil, Geiler, Gosens: Jogis Sieg über die Einflüsterer

Jogi Löw blieb standhaft. Er vertraute Samstag gegen Europameister Portugal in München wieder der Startelf wie vier Tage zuvor beim 0:1 gegen Weltmeister Frankreich. Trotz des Rats oder der Forderung von vielen Einflüsterern, die sowohl personelle Umstellungen als auch einen Systemwechsel verlangten. An der  Spitze Lothar Matthäus und „Bild“. Deutschlands 4:2 (2:1) war somit auch ein Sieg des Teamchefs über die vielen Experten, bei dem einer herausragte, von dem man es nicht unbedingt erwarten konnte: Robin Gosens gelang in seinem neuen Match im deutschen Teamdress auf der linken Außenbahn wahrscheinlich das Spiel seines Lebens, mit dem er auch Cristiano Ronaldo die Show stahl. Durch ein Tor und zwei Assists. Der 27 jährige Gosens spielte nie in der deutschen Bundesliga, übersiedelte 2017 von Heracles Almelo in Holland nach Italien zu Atalanta Bergamo. Um 1,17 Millionen Euro Ablöse. Jetzt steht sein Marktwert auf 35 Millionen. „Bild“ titelte: „Geil, Geiler, Gosens!“

Dass Löw nicht seine Ideen und Prinzipien nicht über den Haufen warf, bewies beim letzten Großereignis seiner Teamchefära, warum die eine erfolgreiche war. 14 500 Zuschauer sahen bei 31 Grad das bisher trefferreichste Spiel der  Europameisterschaft, bei der Deutschland von Beginn an Tempo und Druck machte, schon nach fünf Minuten in Führung ging. Aber der Treffer, den Gosens mit einem wuchtigen Seitfall-Zieher erzielte, zählte nicht, da Serge Gnabry davor knapp im Abseits stand. Zehn Minuten später lag Portugal voran, weil Kapitän Ronaldo in seinem fünften Spie gegen Deutschland erstmals traf. Bei einem Eckball klärte er im eigenen Strafrum, schloss dann nach einem Sprint den schnellen Konter ab.  Aber Deutschland nahm wieder Fahrt auf, kam vor allem über die Flanken. Rechts über Joshua Kimmich, links über de zum „Man of the match“ gewählten Gosens. Bis zur Pause drehte Deutschland das Spiel. Mit Hilfe von zwei Eigentoren, die etwas an das von Mats Hummels am Dienstag zum 0:1 gegen Frankreich erinnerten: Der Rettungsversuch von Ruben Dias vor Kai Havertz nach einer scharfen Volley-Hereingabe von Gosens ging nach 35 Minuten ins eigene Tor. Vier Minuten später ging es  Dortmund-Legionär Raphael Guerreiro bei einer Kimmich-Hereingabe nicht besser, als er den linken Fußball hinhielt. Zwei  Eigentore in einem EM-Spiel gab es zuvor noch nie.

Die Tore drei und vier schossen die Deutschen selbst: Zunächst Havertz nach idealer Gosens-Vorarbeit, die Aktion leitete Thomas Müller ein. Und Gosens mit spektakulärem Kopfball nach Kimmichs Flanke. Sein zweites Tor für Deutschland, das er mit „da geht mir einer ab“ kommentierte. Nach einer Stunde stand fest: Portugal verliert erstmals seit 2008 ein Match nach einer 1:0-Führung. Diogo Jota vom FC Liverpool gelang nach Vorarbeit von Ronaldo noch Resultatkosmetik, ein deutsches Zitterfinish verhinderte die Stange bei einem Distanzknaller von Ex-Bayern-Legionär Renato Sanches. Riesenstimmung nach dem Spektakel in der  Allianz-Arena, Löw sprach von einer tollen Einstellung der Mannschaft, die eine tolle Steigerung möglich gemacht habe: „Der Sieg war auch in der Höhe verdient! Solche Spieler sind für einen Trainer immer eine Nervenschlacht. Ich habe schon viele erlebt, daher haut mich das jetzt auch nicht um!“ Müller wusste mit all seiner Erfahrung einen anderen Grund für die deutsche Steigerung: „Die Portugiesen verteidigen nicht so gut wie die Franzosen!“

Deutschland kann Mittwoch Abend in München mit einem Sieg über Ungarn sogar noch Gruppensieger werden, falls Weltmeister Frankreich in Budapest nicht Europameister Portugal schlagt. Denn Ungarn schaffte total unerwartet gegen Frankreich in der Puskas-Arena nach überraschender Pausenführung durch Linksverteidiger Attila Fiola von Fehervar ein 1:1, ließ nicht mehr als den Ausgleich von Antoine Griezman zu. Eine starke Leistung bot das ehemalige Rapid-Talent Attila Szalai im Abwehrzentrum, der Real Madrids Torjäger Karim Benzema neutralisierte. 60.000 ungarische Fans waren begeistert.

 

 

 

Foto: Reuters.

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