Fußball

Irgendetwas hat gefehlt: Von Ruhestand redet Jogi nicht

Wer ihn von seiner Österreich-Zeit beim FC Tirol und bei der Wiener Austria kannte, der litt Dienstag Abend mit dem sympathischen Jogi Löw, hätte ihm durchaus gegönnt, seine 15 jährige Teamchefära nicht mit Deutschlands 0:2 im EM-Achtelfinale gegen England in Wembley zu beenden, seiner erst 34. in 198 Spielen, sondern mit einem Titel. Weil man ahnte, was danach auf ihn alles einprasseln würde. Immer wird einem, der dabei war, auch Jogis Pressekonferenz unmittelbar nach seinem WM-Triumph 2014 im Maracana-Stadion von Rio de Janeiro in Erinnerung bleiben. Als die erste Frage aus Österreich vom „Ballesterer“ kam, der wissen wollte, was er jetzt Frank Stronach zurufe, der ihn mehr als zehn Jahre  zuvor als Tabellenführer bei Austria gefeuert hatte. Löw setzte ein breites Weltmeister-Grinsen auf und meinte: „Ich sage ihm danke. Ohne der Entlassung wäre ich vielleicht nicht hier.“ Auch der Spruch bei der Einwechslung zu dem Goldtorschützen Mario Götze ist bis heute Kult: „Jetzt zeig´allen, dass du besser als Messi bist“.

Zum Grinsen gab es eigentlich in den letzten drei Jahren keinen Grund mehr. Auch für keine markigen Sprüche mehr. Es gab keinen mehr, der es allen zeigte. Die ersten elf Teamchefjahre waren eigentlich eine Erfolgsstory. 2008 EM-Finale in Wien, 2010 Platz drei bei der WM in Südafrika, 2012 EM-Semifinale, 2014 Weltmeister, 2016 wieder EM-Semifinale, ein Jahr später  Sieg im Confed-Cup. Von da an ging´s bergab. Nur zwei Siege in sieben Spielen bei den letzten zwei großen Turnieren, viel zu wenig für deutsche Ansprüche. 27,36 Millionen TV-Zuseher in der ARD sorgten Dienstag Abend für eine Rekordquote. Aber es ist inzwischen so weit gekommen, dass die große Mehrheit in Deutschland froh darüber ist, dass ab September der Teamchef Hansi Flick heißt. Die Spieler trauern Löw hingegen nach wie Kapitän Manuel Neuer glaubhaft versicherte. Weil er viel für sie  getan hat.

„Bild“ behauptete am Tag nach dem 0:2, es sei Selbstbetrug gewesen, noch an einen großen Erfolg unter Löw zu glauben. Man hätte  ihn nach dem 0:6 gegen Spanien in der Nations League vor acht Monaten oder spätestens nach dem 1:2 gegen Nordmazedonien im März  absetzen müssen. So wie jeweils von „Bild“ gefordert. Zudem htäte die Mannschaft nur zähneknirschend Löws Vorgaben befolgt. Joshua Kimmich hätte lieber im zentralen Mittelfeld statt in der Abwehr als Rechtsverteidiger gespielt. Andere behaupten, Löw sei überfordert gewesen, seit er Flick als Assistenten verlor. Das war nach der WM 2014 und 111 Spielen. Löw übernahm Mittwoch bei seiner letzten Pressekonferenz als Teamchef ohne Wenn und Aber die Verantwortung für die EM-Enttäuschung: „Irgendetwas hat gefehlt.“ Stabilität in der Abwehr (sieben Tore in vier Spielen kassiert, immer in Rückstand geraten), Kaltschnäuzigkeit in der Offensive vor dem Tor. Von Ruhestand redete der 61 jährige aber nicht: „Es wird sich eine Aufgabe ergeben, die mich interessiert!“ Wann das sein wird, bleibt offen.

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