Elf Runden vor Schluss der zweiten Liga gab es im Titelduell einen unerwarteten Sportchef: Tino Wawra, insgesamt zehn Jahre bei Blau Weiß Linz, seit 1919 Sportchef, wechselt nach der Saison die Fronten und übersiedelt 100 Kilometer weiter ostwärts zu VSE St. Pölten. Derzeit sind Tabellenführer St.Pölten und Blau Weiß punktgleich an der Spitze, am 12. Mai steigt in Niederösterreichs Hauptstadt das direkte Duell. Sind dann zwei Seelen in Wawras Brust? „Ich will, das Blau Weiß aufsteigt, das wäre ja dann auch mein Erfolg“, versicherte Wawra. Der dann wieder in die zweite Liga absteigen würde: „Trotzdem ist es für mich die richtige Entscheidung“, behauptet der 43 jährige, „ich will mich als längst noch nicht fertiger Sportdirektor in einem Topumfeld weiterentwickeln und bekomme dazu die Unterstützung des deutschen Bundesligaklubs!“ Der VW-Werksklub Vfl Wolfsburg ist der Kooperationsverein von St. Pölten, wird nächste Saison sein Engagement vergrößern. Wawra, der im Herbst auch Gespräche mit Altach hatte, war dreimal in Wolfsburg, die Gespräche mit Sportvorstand Marcel Schäfer überzeugten ihn restlos, einen Dreijahresvertrag bei St. Pölten zu unterschreiben. Sicher wäre der Start in der zweiten Liga „einfacher“ als in der Bundesliga.
Wawras Wechsel gab Bau Weiß Linz offiziell bekannt, St. Pölten nicht. Dort wird der Deutsche Jan Schlaudraff Sprotvorstand bleiben, aber mehr als zuletzt zwischen Wolfsburg und St. Pölten pendeln. Das Tagesgeschäft wird vor Ort Wawra erledigen. Überraschend kam der Wechsel, weil Wawra unter Vorstand Stephan Reiter Blau Weiß Linz am Aufschwung von Blau Weiß entscheidend beteiligt war. Reiter ging aber zum Jahreswechsel in Pension. Auch wenn betont wird, dass die Entscheidung von Wawra nichts mit dem Wechsel von Reiter zu Christoph Peschek zu tun hat, es ist doch irgendwie anders geworden bei Blau Weiß. Der ehemalige Rapid-Geschäftsführer versicherte, er habe Wawra unter Berücksichtigung der derzeitigen Situation des Klubs ein Topangebot zur Verlängerung des im Sommer auslaufenden Vertrags gemacht, versucht ihn vom Weitermachen zu überzeugen. Es gelang nicht. Warum wohl?
Im Juni wird Blau Weiß das neue Donaupark-Stadion für 5000 Zuschauer eröffnen. Aber wie die Kosten für den laufenden Betrieb gestemmt werden können, ist noch nicht geklärt. Fix ist überdies, dass Blau Weiß seine besten Spieler schon verloren hat. Der 22 jährigen Matthias Seidl, den Teamchef Ralf Rangnick am 4. März im Heimspiel gegen Kapfenberg beobachtet hatte, wird zu Sturm Graz wechseln, der 20 jährige französische Stürmer Fally Mayulu zu Rapid. Zudem stieg die voestalpineag dieser Tage beim etablierten LASK als Sponsor der LASK-Akademie Oberösterreich und des Trainingszentrums in Pascshing ein. Das musste zu denken geben. Gilt doch Blau Weiß als „Nachfolgeverein“ des ehemaligen Werkklubs VOEST Linz. Das zeigt, dass alle Unterstützungsbeteuerungen für Blau Weiß, auch von der Stadt Linz doch mit etwas Vorsicht zu genießen sind. Auch das könnte bei Wawras Entscheidung eine Rolle gespielt haben. Peschek versichert, dass die Suche nach einem neuen Sportchef schon voll im Gang ist.
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