Harald Lechner, seit Jahren die Nummer eins unter den Schiedsrichtern, wird Freitag auch der erste sein, der in der neuen Zeitrechnung mit der Suche nach der „VARheit“ beginnt. VAR steht für Video Assistant Referee. Lechner wird Freitag Abend bei Sturm Graz gegen Red Bull Salzburg aus der Videozentrale in Meidling versuchen, klare und offensichtliche Fehler, die am Grazer Rasen dem Tiroler Schiedsrichter Walter Altmann aus welchen Gründen auch immer passierten, aufzuzeigen und zu verhindern. In Zusammenhang mit Toren, Elfmetern und roten Karten. Was klare und offensichtliche Fehler sind, wird sicher zu einigen Diskussionen führen. So wie es auch in allen anderen Ländern bei der Einführung des Videobeweises der Fall war.
Im Oktober 2019 fiel in ÖFB und Liga die Entscheidung für den Videoreferee. Bis die mit dem Marktführer „Hawk Eye“ in die Tat umgesetzt wurde, dauerte es auch pandemiebedingt 21 Monate. In dieser Zeit mussten 63 Schiedsrichter bei der Ausbildung auf 14 Tage verteilt 48 Stunden vor dem TV-Schirm oder am Rasen verbringen. 28 von ihnen sind aktuell für Einsätze eingeplant. Für den Videoreferee stehen 26 Assistenten bereit, dazu gibt es vier von der FIFA ausgebildete Instruktoren: Schiedsrichterchef Robert Sedlacek, Konrad Plautz, der ehemalige Spitzenreferee aus Tirol, Regelreferent Gerhard Gerstenmayer und Andreas Fellinger. Einer von ihnen wird bei jedem Spiel in Meidling an der Seite des VAR sitzen, unter anderem darauf achten, dass er die richtigen Bilder von den Kameras des TV-Partners Sky bekommt. Zwischen sechs und elf werden pro Match im Einsatz sein. Der Funkkontakt zwischen Meidlinger Zentrale und den Schiedsrichtern ist dank Glasfaseranbringung in allen Stadien klar und verständlich, auch die kalibrierte Linie für knappe Abseitsentscheidungen steht zur Verfügung. „Als Videoreferee bist du von viel mehr Bildern als in den Stadien umgeben, musst du die richtigen selektieren“, erklärte Lechner einen der Unterschiede.
Möglich transparent sollen die Vorgänge, an denen der Videoreferee beteiligt ist, sein. Das wird die Bundesliga versuchen, in die Tat umsetzen, wie der für den Spielbetrieb zuständige David Reisenbauer versicherte. Die Devise heißt geringer Einfluss, aber höchster Nutzen. Die Erfahrungen von der letzten Europameisterschaft: 179 Checks in 36 Spielen, dazu zwölf Eingriffe, mit denen Schiedsrichterentscheidungen aus der Zentrale in Nyon praktisch umgedreht wurden. Dass es 14 Elfmeter gab, doppelte so viele wie bei der Europameisterschaft 2016 in Frankreich, wird auch auf den Videoreferee zurückgeführt Aus regeltechnischer Sicht gab es 99 Prozent richtige Entscheidungen, eine Steigerung um sechs Prozent. Bis die Entscheidung fällt, soll es aber nicht Minuten dauern, wie etwa beim Abseitstor von Marko Arnautović im Achtelfinale zwischen Italien und Österreich in Wembley. „Normal“ liegt der Wert zwischen 35 und 70 Sekunden. So lange dauert es, bis geklärt ist, ob der Torjubel berechtigt war oder nicht. Auch daran wird man sich in Österreich gewöhnen müssen. Alles dem Ziel untergeordnet, Fußball gerechter als bisher zu machen. Aber Lechner und Fellinger warnten zu Recht vor allzu großen Erwartungen.