Bereits zwei Tage vor dem 4:2 (1:2) der deutschen U 21 über Rumänien in der der Hitzeschlacht von Bologna bei Temperaturen um 40 Grad im Semifinale der Europameisterschaft, eröffnete Deutschlands größte Zeitung „Bild“ die Diskussion, ob Teamchef Stefan Kuntz nicht das Zeug hat, Nachfolger von Teamchef Jogi Löw zu werden, obwohl dessen Vertrag bis 2022 läuft. Unter der Devise, erfolgreicher geht es nicht. Vor zwei Jahren Europameister-Titel, jetzt das Olympiaticket. Daher die Schlussfolgerung: Kuntz kann auch den Jogi-Job. Chef-Kolumnist Alfred Draxler titelte sogar: „Kuntz als Bundestrainer hätte was.“ In Österreich stand nach dem starken Auftritt der U21 bei ihrer ersten Endrunde nirgends: „Werner Gregoritsch als Teamchef hätte was.“ Obwohl die tausenden nach Italien gekommenen Fans ihn bei der Verabschiedung (Bild oben) am Sonntag im Stadio Friuli genauso umjubelten wie die Spieler.
Luca Waldschmidt, der deutsche Torschütze gegen Österreich, traf zweimal gegen die Rumänen. Per Elfer zum 2:2, per Freistoß in der letzten Minute der regulären Spielzeit zum 3:2. Die EM-Tore sechs und sieben von Waldschmidt. Eine Woche nach dem 1:1 gegen Österreich in Udine wird der Titelverteidiger dort Sonntag im Endspiel auf Spanien treffen. Die Spanier fertigten Frankreich 4:1 (2:1) ab, haben die Chance, sich für die Finalniederlage 2017 zu revanchieren. Die „Bild“-Argumente für Kuntz: Aus seiner Mannschaft von 2017 gehören Serge Gnabry und Thilo Kehrer bereits fest zum Kader von Löw, es mache Sinn, wenn der Trainer gemeinsam mit den größten Talenten zum Nationalteam wechselt. Und beim einzigen, der sich als-Löw-Nachfolger geradezu aufdrängen würde, nämlich Jürgen Klopp, müsse man abwarten, was er nach Ende seines Vertrags beim FC Liverpool, der wie der von Löw beim DFB bis 2022 läuft, plant. Umgelegt auf Österreich sieht das etwas anders aus.
Fodas Vertrag als Teamchef ist an die Qualifikation für die Europameisterschaft gekoppelt. Läuft bis Sommer 2020, wenn das Team noch Platz zwei hinter Polen holt. Auch dann, wenn es nicht gelingt, aber im Frühjahr 2020 noch die Chance besteht, via Nations League-Play-off ein EM-Ticket zu ergattern. Was der Mainzer danach plant, hat wahrscheinlich nicht einmal noch er überlegt. Das Argument für Kuntz, wonach es sinnvoll wäre, wenn der Trainer mit den Talenten zum Nationalteam wechselt, gilt noch mehr für Gregoritsch nach den sechseinhalb Jahren in seinem Job. Da gingen mehr als 15 Spieler, die fix Kandidaten bei Foda sind, durch seine Hände. Von Heinz Lindner über Martin Hinteregger, Marcel Sabitzer bis zu Philipp Lienhart, Kevin Danso, Stefan Posch und Xaver Schlager. Die vier werden nicht die einzigen aus dem EM-Aufgebot bleiben, die künftig in der Nationalmannschaft zum Zug kommen.
Einen Unter 21-Teamchef, der zur Nationalmannschaft wechselte, gab es in Österreich bisher nur zweimal: 1990 machte Josef Hickersberger nach der Jahrhundertblamage gegen die Färöer in Landskrona für Alfred Riedl Platz, der sich nur elf Monate hielt. 1992 folgte Herbert Prohaska auf Ernst Happel nach dessen Tod. Fünf Jahre später schaffte er mit Österreich die bisher letzte Qualifikation für eine Weltmeisterschaft. Gregoritsch war kein Thema, als es im Herbst 2017 um die Nachfolge von Marcel Koller gegangen war. Das hat den Grazer zwar ziemlich geärgert und frustriert, aber richtig ausgesprochen hat er das nie. Jetzt denkt er, was seine Zukunft betrifft, nur daran, mit der neuen U 21 die Qualifikation für die nächste EM-Endrunde 2021 zu schaffen. Bei der erstmals vier Teams mehr, also 16, spielen. Für Gregoritsch macht das die Aufgabe aber nicht entscheidend leichter, Er wird weiter auf seine große Stärke vertrauen, die er ganz simpel erklärt: „Ich kann irrsinnig gut Menschen zusammenbringen.“