Fußball

Ohne Milletich herrschte Waffenstillstand im ÖFB-Präsidium: „Qualität vor Zeitdruck!“

Das ÖFB-Präsidium brauchte nur eine Stunde, um sich Freitag auf den Dienstältesten der vier Vizepräsidenten, Johann Gartner (Bild oben), als interimistischen Nachfolger für den Dienstag zurückgetretenen Gerhard Milletich zu einigen. Philipp Thonhauser, der Präsident der Bundesliga, erklärte zuvor, nicht zur Verfügung zu stehen. Offenbar ein Sinneswandel. In etwa vier Monaten könnte Gartners Amtszeit beendet sein, wenn auf einer außerordentlichen Hauptversammlung der neue Präsident gewählt wird. Der 71 jährige Gartner, Ex-Bürgermeister von Ziersdorf, arbeitet seit 1990 im niederösterreichischen Verband, war von 2002 bis 2012 Präsident, gab nach vier Jahren ein Comeback. Seit 2015 ist er überdies Präsident des SV Ziersdorf, der in der ersten Klasse Nordwest-Mitte spielt, acht Nachwuchsmannschaften hat.

Gartner gilt als Förderer des Frauenfußballs, fiel in den letzten Jahren mitunter auch durch heftige Kommentare auf. Vor sechs Jahren musste er sich dafür bei einigen Teamspielern entschuldigen. Aber er wird aus Schaden klug geworden sein, sich etwas mehr zurückhalten. Speziell in der aktuellen Situation. Gartner kämpfte im Herbst um „seine“ Sportschule in Lindabrunn als Standort für das neue ÖFB-Trainingszentrum, stimmte gegen die Variante in Wien-Aspern, die aber seit Dezember beschlossene Sache ist. Daran kann er auch als Interims-Präsident nicht mehr rütteln.

Die Tagung im Grazer Intercity-Hotel dauerte insgesamt etwas mehr als zwei Stunden. Auffällig, dass ohne Milletich offenbar Waffenstillstand herrscht. Die Landesverbandspräsidenten gingen plötzlicher wieder aufeinander zu, wovon in den Sitzungen davor wenig zu bemerken war. Das verbale, mediale Nachtreten Milletichs verfehlte die Wirkung, die er sich möglicherweise davon erhoffte. Von zusammenhalten, einen oder sich austauschen war die Rede, von einer Verjüngung, die nicht schlecht wäre. Die tiefen Gräben zwischen den verschiedenen Lagern waren zumindest in Graz nicht zu bemerken. Gartner sprach sogar von Aufbruchstimmung. Abwarten, wie lange es dabei bleiben wird. Jeder Landesverband und die Bundesliga haben die Möglichkeiten, einen Kandidaten, der Präsident werden soll, zu nennen. Dann wird im Wahlausschuss, in den sowohl die Landesverbände als auch die Liga einen Vertreter entsenden können, abgestimmt. Zu einer Kampfwahl sollte es nicht kommen.

Der Vorsitzende im Wahlausschuss muss erst bestimmt werden, bei der letzten Wahl war es der steirische Präsident Wolfgang Bartosch. Viel war in Graz von einer externen Lösung die Rede, die dem ÖFB guttun würde. Aber nach den Ereignissen der Zeit darf man nicht glauben, dass eine rege Nachfrage um das Ehrenamt herrschen wird. Attraktiv wirkt es derzeit wirklich nicht. Trotz des Grazer Waffenstillstands. Über einen profilierten Ex-Teamspieler nachzudenken, etwa über Marc Janko, wäre kein Fehler. Das Motto von Gartner: „Qualität vor Zeitdruck!“

Foto: BVZ/Wolfgang Wallner.

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