Fußball

Der verwandelte „Steh-Geiger“: Kein anderer regt so auf wie Holzhauser

Vor Beginn dieser Saison bekam Raphael Holzhauser von seinem langjährigen Berater Alexander Sperr zwei Ziele genannt: Einen einstelligen Tabellenplatz mit Aufsteiger Beerschot in der Jupiter League und das Debüt in Österreichs Nationalteam. Das erste hielt der 27 jährige Ex-Austrianer für realistisch, das zweite erstaunte ihn: „Wie soll denn das funktionieren?“, fragte er Sperr. Dessen Antwort: „Ganz einfach, du musst besser spielen als Peter Zulj bei Anderlecht. Dann bringst du den Teamchef ins Grübeln“. Zulj stand im September im Teamkader, ehe ihn das Corona-Virus außer Gefecht setzte. Letzten Montag meldete sich Franco Foda telefonisch bei Holzhauser. Damit war klar, dass die Saison wie gewünscht läuft: Platz drei mit Beerschot, das Teamdebüt winkt.

Keine andere Personalie sorgte bei Fodas Kader für solche Aufregung wie Holzhausers erste Chance. Die „Kleine Zeitung“ beschrieb ihn als „Steh-Geiger“. Aber so einer hätte beim gestrengen Foda keine Chance. Also muss Belgien den „Steh-Geiger“ verwandelt haben. Wer sich nicht in Zweikämpfen durchsetzen kann, dagegen hält, wer mehr steht als läuft, der hat dort schon in der zweiten Liga keine Chance. Holzhauser hat sich darauf offenbar eingestellt: „Wenn er sich auf Fußball konzentriert,  ist er  ein sehr interessanter Spieler“, erinnert sich U 21-Teamchef Werner Gregoritsch, der Holzhauser zum Kapitän gemacht hatte, sich mitunter auch sehr über ihn ärgerte. Die Behauptung, dass der Niederösterreicher einfach zu langsam sei, um international mithalten zu können, bezeichnet Gregoritsch als Blödsinn: „Ich hab´noch ein Video, wie er gegen England Jordan Henderson im Sprint glatt  abhängt!“ Und der ist jetzt Kapitän vom FC Liverpool, mit dem er die Champions League gewann, heuer Meister wurde.

Holzhauser hat im Vertrag mit Beerschot eine Ausstiegsklausel, die für Spitzenklubs finanziell leicht zu stemmen wäre. Von Spekulationen über einen Wechsel bis zum Ende der Transferzeit am nächsten Montag will Sperr nichts hören. Der Vertrag läuft nach der Saison aus. Beerschots Präsident Francis Vrancken und Sportchef Sander van Praet haben sich bei Sperr bereits zu Verhandlungen über einen neuen Vertrag, der sicher lukrativer wird als der laufende, angesagt. Die erste Teamberufung bedeutet eine Steigerung des Kurswerts: „Er spielt nicht mehr so viel hinten herum, ist in der Offensivrolle überall zu finden, auch an den Flanken. Und fällt mit Sololäufen auf!“, lobt Sperr seinen Klienten nach einigen  „Lokalaugenscheinen“.  Scheint also, dass sich Holzhauser in Antwerpen wohl fühlt, den richtigen Draht zum erst 38 jährigen argentinischen Trainer Hernan Losada, der zuvor 13 Jahre in Belgien spielte, fand.

In Austria-Zeiten war Holzhauser für die Rapid-Fans in Derbys eine Reizfigur, musste sich als früherer grün-weißer Nachwuchsspieler im Hütteldorfer Allianz-Stadion einiges anhören, brauchte Schutz vor Wurfgeschossen in Form von großen Schirmen, die Ordner hielten, als er Eckbälle vor dem grün-weißen Fansektor schoss. Bei Beerschots Heimspielen im alten Olympiastadion, das 14.000 Zuschauer fasst, erinnerte vor Corona die Atmosphäre an Rapid. Wenn auch nur halb so „groß.“ Die Vereinsfarbe von Beerschot ist aber wie bei Austria violett. Es gibt eine „Dreierbande“, zu der Holzhauser gehört, die viel gemeinsam unternimmt. Dazu gehören der Ukrainer Denis Prychynenko, ein gnadenloser Innenverteidiger, sowie Linksfuß Yan Vorogovskij, ein Teamspieler aus Kasachstan: „Die ordnen alles dem Fußball unter“, behauptet Sperr. Im Eiskasten von Holzhausers Appartement sei anders als früher kein Coca Cola mehr zu finden, nur Mineralwasser. Dazu Getränke, die ihm dem Klubarzt „mixte“. Holzhauser lebt in Antwerpen als Single. Seine Frau kommt meist einmal pro Monat auf Besuch; registriert dabei die steigende Popularität ihres Gatten auf den Straßen der auch für den Diamantenhandel bekannten Hafenstadt. Vielleicht wurde auch der dort noch zum fußballerischen  Diamanten geformt. Es brauchte halt nur etwas länger Zeit.

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