Wien darf nicht Chicago werden! So hieß im Wiener Gemeinderats-Wahlkampf 1991 ein Slogan, weil Chicago für steigende Kriminalität durch eine immer größer werdende Anzahl von Migranten stand. Im Fußball gehen die Uhren aber 26 Jahre später anders. Da heißt es: Die Wiener Austria soll Chicago werden. Genauer gesagt Chicago Fire. Aber dazu bedarf es eines Stars wie Bastian Schweinsteiger: Der 32jährige Kapitän der deutschen Weltmeistetruppe von 2014, bei Manchester United von Trainerstar Jose Mourinho aussortiert, verwandelte in 14 Spielen das schlechteste Team der Major League Soccer in den letzten zwei Saisonen vom Nachzügler zum Tabellenführer der Eastern Division. Geschafft am Wochenende mit einem 4:0 gegen Vancouver. Wenn der Austria ein ähnlicher Aufschwung gelingen sollte, dann könnte es sogar mit der Jagd auf Salzburg ernst werden.
Es sind nicht die Tore und Assists von Schweinsteiger in seinen 14 Einsätzen, die Chicago so viel stärker machten. Es ist die Präsenz eines Spielers, der zuvor schon fast alle ziemlich bedeutenden Titel der Fußballwelt gewonnen hat, die er holen konnte, die der Mannschaft am Rasen Sicherheit verleiht, wie der serbische Chicago-Trainer Veljko Paunovic betont: „Darum haben wir ihn auch geholt.“ Schweinsteiger ist sein Saisongehalt von 4,9 Millionen Euro wert. Seine besondere Motivation bei dem Transfer in die Staaten: Einen Klub voran zu bringen, dem es zuvor nicht so gut ging. In einer Stadt, die in den anderen amerikanischen Sportarten wie Baseball mit den Cubes und White Sox, im Basketball mit den Bulls und Eishockey mit den Black Hawks für Erfolge steht: „Wäre schön, wenn das im Fussball auch gelingt,“ sagt Schweinsteiger. Aber er weiß, dass es bis zum Titel noch ein sehr weiter und harter Weg ist. Noch 16 Spiele, danach beginnt erst die Play-off.
Was das alles mit Austria zu tun hat? Weil sich deren Trainer Thorsten Fink von seinem deutschen Wunschspieler Heiko Westermann einen ähnlichen Effekt verspricht. Westermann ist ein Jahr älter als Schweinsteiger, gewann noch keinen Titel, hat nie die Erfolge gehabt wie der ehemalige Bayern-Star, mit dem er einige seiner 27 Länderspiele für Deutschland bestritt. Darunter auch das erste am 6. Februar 2008 im Wiener Happel-Stadion beim 3:0 gegen Österreich. Westermann kam bei Ajax Amsterdam und Trainer Peter Bosz ebenso nicht zum Zug wie Schweinsteiger bei Mourinho. Aber Funk setzte trotzdem den Kauf seines ehemaligen Kapitäns beim Hamburger SV durch. Weil er bei ihm Leaderqualitäten sieht, die seiner Mannschaft mehr Sicherheit als bisher verleihen soll. Wenn Westermann nur die Hälfte der Schweinsteiger-Qualitäten in Chicago hat, dann wäre Violett sehr geholfen. Abwarten, ob Austria wirklich Chicago Fire wird. Denn die Ausgangsposition ist eine andere: Die Austria war nicht das schlechteste Team der Bundesliga, sondern der Vizemeister. Aber bei der Salzburger Dominanz macht das die Aufgabe für Westermann nicht viel leichter als die für Schweinsteiger bei seinem Chicago-Wunder im Land der unbegrenzten Möglichkeiten.